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Artenvielfalt kontra Invasion  
  Die Artenvielfalt auf unserem Planeten ist unüberschaubar groß. Doch nicht alle Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen können und wollen nebeneinander gedeihen. In gewissen Umgebungen können etwa fremde Tierarten zu wahren Artenkillern im System werden. Wenn Tiere in fremde Ökosysteme verpflanzt werden, entwickeln sie sich oft zu richtigen Terminatoren.  
Im Laufe der Geschichte hat schon so mancher "Import" zur Auslöschung anderer Lebewesen geführt. Eine Liste der 100 invasivsten Tiere, Pflanzen und Mikroorganismen veröffentlichte die "World Conservation Unit" (WCU) nun aus Anlass des offiziellen Welt-Artenvielfaltstages. Gekoppelt mit einem Aufruf zu mehr Vorsicht und verstärkter Kontrolle durch die verantwortlichen Behörden.
Artenvielfalt dank abgegrenzter Lebensräume
Die Artenvielfalt der Erde ist nicht zuletzt dem Umstand zu verdanken, dass sich auf den verschiedenen Kontinenten unterschiedlichste Lebensräume - und damit unterschiedlichste Tier- und Pflanzenarten ausgebildet haben.

Doch bleiben diese nicht immer unter sich, denn seit der Mensch Handel treibt, Reisen unternimmt und andere Kontinente besiedelt, schleppt er auch immer wieder fremde Arten ein. Mit zum Teil katastrophalen Folgen für die im neuen Lebensraum heimische Flora und Fauna.
Der Mensch als Verursacher
In vielen Fällen ist der Mensch nur indirekt schuld: So manche Tier- und Pflanzenart wurde als blinder Passagiere an Bord von Schiffen und Flugzeugen transportiert. Die Eindringlinge gelangten und gelangen tatsächlich durch Zufall oder mangelnde Sorgfalt in ihren neuen Lebensraum.
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Diese Gefahr ist mit der Zunahme des globalen Handels weiter gestiegen, weswegen die WCU an die Welthandelsorganisation (WTO) um mehr Vorsicht appelliert. Aber auch Hilfsorganisationen werden nicht ausgenommen, da sich zum Beispiel in Materialien für die Landwirtschaft eines Entwicklungslandes Pflanzensamen befinden können, die sich dort im ungünstigsten Fall ausbreiten und heimische Pflanzen verdrängen. Gerne verwendetes "Transportmittel" waren in den vergangenen Jahrtausenden natürlich auch die Militärs. Vor allem Krankheiten wurden von ihnen eingeschleppt - ins besetzte wie auch ins eigene Land.
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Die ''Verrückte Ameise''

Anoplolepis gracilipes
Ein Beispiel ist die so genannte "Verrückte Ameise" (Anoplolepis gracilipes), benannt nach ihren frenetischen Bewegungen. Diese Spezies hat auf der Weihnachtsinsel im Pazifik innerhalb von nur 18 Monaten rund drei Millionen Krabben getötet und gefährdet deren Population und damit das Ökosystem des Inselwaldes erheblich.

Auch auf den Seychellen, Hawaii und der Insel Sansibar verursachte die Ameise bereits große Schäden. Absichtlich "importiert" wurde sie nirgends. Auf den Weihnachtsinseln wurde sie vermutlich vor rund 50 Jahren von afrikanischen Händlern eingeschleppt.
Krankheiten als ''versehentliche Importe''
Diverse Mikroorganismen zählen ebenfalls zu den "versehentlichen Importen" der Menschheit. Darunter neben Pilzen und anderen Pflanzenschädlingen vor allem krankheitsauslösende Viren wie das Masernvirus, das einst von Europa aus auf den amerikanischen Kontinent gelangte und dort unter der Bevölkerung verheerend wütete.
Beispiele für eingeschleppte Mikroorganismen
Das Pocken- und das Masernvirus wurden mit der von Europa ausgehenden Kolonisierung in der westlichen Hemisphäre eingeschleppt.

Das Immunsystem der dort heimischen Bevölkerung (Azteken, Inkas und später auch die indigenen Völker Nordamerikas) hatte keinerlei Abwehrkräfte gegen diese Viren zu bieten - die Menschen starben zu Hunderttausenden an den fremden Krankheiten (damals nicht immer zum Missfallen der europäischen Besiedler, die die Viren zum Teil gezielt zur "biologischen Kriegsführung" einsetzten - so geschehen in Nordamerika).

Die große Hungersnot im Irland der 1840er wurde durch einen Pilz (Phytophtora infestans) ausgelöst, der die Kartoffelernte fast völlig zerstörte. Eine Million Menschen starb.
Maisschädling goes Europe

Diabrotica virgifera
Wer nun glaubt, dass solche Geschehnisse der Vergangenheit angehören, der täuscht sich. Die Gefahr ist im Gegenteil mit der immer größeren Mobilität der Menschen weiter gewachsen. Ein Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit ist das Einschleppen eines harmlos aussehenden Käfers (Diabrotica virgifera) nach Europa.
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Diabrotica virgifera
Der "Western Corn Rootworm" ist ein gefährlicher Pflanzenschädling. Die wurmähnlichen Larven des Käfers ernähren sich von den Wurzeln der Maispflanze und haben in Nordamerika immer wieder große Schäden angerichtet.
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In den frühen 1990ern entdeckten serbische Wissenschaftler diesen Käfer in der Nähe des Belgrader Flughafens. Sofortige Maßnahmen hätten sein Ausbreiten vielleicht verhindern können, doch der Balkan-Krieg verhinderte das. Inzwischen hat sich der Käfer in Kroatien, Ungarn, Rumänien, Bosnien, Bulgarien und Italien verbreitet (Stand 1999). Eingereist ist er vermutlich einst via US-Militärflugzeug.
Die ''Fehl-Importe'' der Menschheit
Noch viel mehr Beispiele gibt es für die nachträglich unentschuldbare Dummheit des Menschen, der aus den verschiedensten Gründen invasive Spezies in anderen Ländern heimisch machte - und dies immer noch tut. Ein Beispiel ist die schon legendäre Geschichte der Kaninchen in Australien.
Kaninchenplage down under
Zunächst wurde der Nager eingeführt, damit der jagdbegeisterte Brite nicht auf sein liebstes Hobby verzichten musste. Die Wildkaninchen breiteten sich allerdings zum Missvergnügen der Farmer sehr schnell aus. Innerhalb von nur 100 Jahren wurden aus den vermutlich um 1850 eingeführten sechs (!) Tieren geschätzte 500 Millionen.

Als 1951 nichts mehr half, rückte die Forschungsgesellschaft CSIRO der Karnickelplage mit dem Myxoma-Virus zu Leibe. Ganze 99 Prozent der Tiere verendeten qualvoll, der Rest allerdings bildete Antikörper. Die Population wuchs erneut auf rund 400 Millionen an.

Was also tun? Ein neues Virus musste her, das - trotz "umfangreicher Sicherheitsvorkehrungen" - vom Labor auf die wilden Kaninchen übergriff. Und wieder überlebten ca. 25 Prozent den biologischen Angriff. Gegenwärtig gibt es um die 300 Millionen Tiere. Die Forscher untersuchen noch, ob Resistenzen gegen das neue Virus gebildet wurden.
Auch die Katze zählt dazu ...
Doch finden sich auf der Liste auch Tiere, an die vermutlich niemand denken würde: So zählt die WCU zum Beispiel auch die gemeine Hauskatze (Felis catus) zu den 100 schlimmsten invasiven Arten.

Vor rund 3.000 Jahren hat der Mensch sie domestiziert - und seitdem an so ziemlich jeden Flecken der Erde mitgeschleppt. Verwilderte Hauskatzen sind inzwischen auf allen Kontinenten heimisch. In Neuseeland haben sie zum Beispiel eine Seevogelart bereits völlig ausgerottet.
Beispiele aus der Pflanzenwelt

Wasserhyazinthe
Und auch die Pflanzenwelt hat so manches Exempel für eine missglückte Neu-Kultivierung zu bieten. So zum Beispiel die schön anzuschauende Wasserhyazinthe. Eine in Südamerika heimische Pflanze, die für Zierteiche in alle Welt exportiert wurde.

Sie hat sich allerdings inzwischen von einer Zierpflanze zur Wasserpest in mehr als 50 Ländern entwickelt: Jede Art von Gewässer wird von ihr überwuchert. Auf diese Weise behindert sie nicht nur den Schiffsverkehr und die Fischerei, sie nimmt auch anderen Pflanzen Licht und Sauerstoff zum Überleben.

Sabine Aßmann, Science-Redaktion
Eine vollständige Liste der 100 invasivsten Spezies sowie weitere Artikel zum Thema und Links zu Datenbanken und Projekten findet sich auf der Homepage der World Conservation Union.
->   World Conservation Union
->   Convention on Biodiversity
->   Biodiversity is Life
->   Global Invasive Species Programme (GISP)
->   Invasive Species Specialist Group (ISSG)
->   Global Invasive Species Database
->   Species Survival Comission (SSC)
 
 
 
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01.01.2010