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ORF ON Science :  News :  Kosmos .  Leben 
 
Landgang der Pflanzen durch Supernova?  
  Supernovae und die Entwicklung der ersten Landpflanzen scheinen auf den ersten Blick nichts miteinander tun zu haben. Haben sie aber doch, meinen US-Forscher: Eine Sternenexplosion hat ihrer Meinung nach vor 440 Millionen Jahren die Chemie der Erdatmosphäre maßgeblich verändert. Das erhöhte die Verfügbarkeit von Nährstoffen und führte letztlich zu einem Aufblühen des Lebens auf dem Festland.  
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Die Studie "Gamma-Ray Bursts and the Earth: Exploration of Atmospheric, Biological, Climatic and Biogeochemical Effects" von Brian C. Thomas et al. erschien am Preprintserver "arXiv" (astro-ph/0505472). Eine kürzere Version erschien auch im "Astrophysical Journal" (Band 622, L153-L156).
->   Zur Studie bei arXiv
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Die Natur macht doch Sprünge
"Natura non facit saltus" - "die Natur macht keine Sprünge" schrieb der schwedische Naturforscher Carl von Linne im Jahr 1751 in seiner "Philosophia botanica" (Aph.77) und wiederholte damit, was vor ihm schon Leibniz und Aristoteles ausgesprochen hatten.

Manchmal macht die Natur aber doch Sprünge, und zwar - im Wortsinn - gewaltige. So geschehen etwa vor 65 und 250 Millionen Jahren, als ein Großteil der Fauna und Flora auf der Erde verschwand und die "Bühne des Lebens" durch eine globale Katastrophe gleichsam leergefegt wurde.
->   Philosophia botanica
Auslöser von Massensterben
Über die Ursachen solcher Ereignisse gibt es unter Fachleuten nach wie vor Diskussionen, als wahrscheinlichste Kandidaten gelten u.a. Meteoriteneinschläge, Vulkanismus, Kontinentaldrift und Klimawandel.

Viele Modelle machen allerdings gleich von mehreren Faktoren Gebrauch: Meteoriten - etwa jener, der am Ende der Kreidezeit auf der heutigen Halbinsel Yucatan einschlug - waren vor allem deswegen tödlich, weil aufgewirbelte Staubmassen zu einer globalen Verdunklung und Abkühlung der Atmosphäre führten.
Tödliche Supernovae?
Als weitere Kandidaten werden Supernovae, d.h. Sternenexplosionen, gehandelt, die die schützende Ozonschicht der Erde zerstört und so zu einem Massenaussterben geführt haben könnten.

Beispielsweise am Ende des Ordoviziums, also vor 440 Millionen Jahren, wie ein Team um Adrian Melott und Brian C. Thomas von der University of Kansas kürzlich vermutete (Int. J. Astrobiol. 3, S. 55).
->   Zum Preprint der Studie bei arXiv
Strahlung bringt Abkühlung
Für diese Hypothese spricht unter anderem folgendes: Einer der möglichen Langzeiteffekte von kosmischen (Gamma-)Strahlenausbrüchen ist nämlich eine radikale Abkühlung der Erdatmosphäre - und genau das sei am Ende des Ordoviziums eingetreten, schreiben Melott und Mitarbeiter.

Nun hat die selbe Forschergruppe berechnet, mit welchen direkten Konsequenzen bei einem "gamma ray burst" (GRB) im Umfeld der Erde zu rechnen ist.
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Physikalischer Steckbrief eines Ausbruchs
Der von Thomas und Mitarbeitern berücksichtigte, "typische" GRB hat folgenden physikalischen Steckbrief: Dauer des Ausbruches: 10 Sekunden; Leistung: 5 mal 1044 Watt; Entfernung: 2 Kiloparsec (ca. 6.500 Lichtjahre); Fluenz: 100 kJ/m2.
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Ozonschicht zum Teil zerstört
Wenn vor rund 440 Millionen Jahren solch ein Blitz harter Strahlung die Erde traf, dann hatte das verheerende Folgen für die schützende Ozonschicht der Erde. Wie die US-Forscher anhand eines Computermodells herausfanden, wurden in diesem Fall durchschnittlich 30, in manchen Breiten bis zu 74 Prozent der Ozonmoleküle zerstört.

Der Effekt dürfte auf der Erde bis zu sieben Jahre zu spüren gewesen sein. Zudem kam es zu einer globalen Verdunkelung sowie zu einer Verdreifachung der UV-Strahlung. Letztere hat nach den Berechnungen zu einer Erhöhung der DNA-Schäden um den Faktor 16 geführt. Ein Wert, der klar über der letalen Grenze für einfache Lebensformen wie z.B. Phytoplankton liegt.
Urzeitlicher saurer Regen
Die energiereiche Strahlung erhöhte auch die Menge an atmosphärischem Stickstoffdioxid (NO2), das wiederum mit Wasser und Sauerstoff zu Salpetersäure reagierte. Diese ging dann als urzeitlicher saurer Regen auf die Erde und Ozeane nieder.

Im Boden sollte sich die Säure via weiterer chemischer Reaktionen zu Nitratsalzen verändert haben - Substanzen, die aus einem anderen Zusammenhang wohl bekannt sind: Nitrate sind die lebenswichtige Stickstoffquelle für Pflanzen und werden daher jedem Dünger beigefügt.
Eroberung des Landes beeinflusst?
Genau an diesem Punkt haken Melott und Mitarbeiter nun in ihrer aktuellen Studie ein: Die "himmlische" Düngung, so ihre Hypothese, könnte die Nährstoffsituation im Boden so stark verbessert haben, dass Pflanzen aus diesem Grund das Festland eroberten.

"Nitrat war immer ein limitierender Faktor des Pflanzenwachstums. Das gilt umso mehr für diese Zeit, als noch keine Stickstoff-fixierenden Pflanzen existierten", betont Melott gegenüber dem Newsdienst der Zeitschrift "Nature": "Das Plus von Nitrat könnte der entscheidende Faktor für die Eroberung des Landes gewesen sein."
Passender Puzzlestein
Ins Mosaik der naturgeschichtlichen Befunde passt diese Hypothese jedenfalls recht gut: Die ersten primitiven Landpflanzen entstanden vor rund 460 Millionen Jahren.

Die entscheidende Aufspaltung in die heute vorhandenen Lebensformen - Moose und Sprosspflanzen - fand rund 20 Millionen Jahre später statt. Just zu jener Zeit, als eine mutmaßliche Supernova die Chemie der Atmosphäre veränderte.

Robert Czepel, science.ORF.at, 3.6.05
->   University of Kansas
 
 
 
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01.01.2010