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Winziger Urahn  
  Ein nur zwei Gramm schwres Tier, das vor rund 200 Millionen Jahren im Schatten der Dinosaurier lebte, ist der engste Verwandte der heutigen Säugetiere. Das Fossil der winzigen Kreatur wurde von chinesischen und US-Wissenschaftler in der chinesischen Provinz Yunnan entdeckt.  
Zhe-Xi Luo und Kollegen vom Carnegie Museum für Naturgeschichte in Pittsburgh (US-Staat Pennsylvania) berichten im US-Wissenschaftsjournal "Science" vom Freitag, dass die Art aus dem frühen Jura-Zeitalter (vor 208 - 146 Millionen Jahr) bereits die entscheidenden Merkmale eines Säugetiers besitzt.
Entscheidender anatomischer Schritt

Bei dem nur 12 Millimeter kleinen "Hadrocodium wui"-Kopffossil, wie das Forscherteam ihn lateinisch benannte, sei bereits die Trennung des Mittelohrknochens vom Unterkiefer vollzogen. Dies sei ein entscheidender Schritt in der Evolution vom Reptil zum Säuger, so die Forscher in "Science".

Laut dem Projektleiter Zhe-Xi Luo hatte das kleine 'Säugetier' ein ähnliches Ernährungsschema wie die heutige Spitzmaus, d.h. er ernährte sich in erster Linie von Insekten. "Aufgrund seiner sehr fragilen Zähne war er nur in der Lage sehr kleine Insekten und Würmer zu fressen, und die nur in sehr kleinen Mengen".
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Säugetiere...
... mit einem Haarkleid versehene, warmblütiger Wirbeltiere, die lebende Junge gebären. Die Gliedmaßen tragen ursprünglich bekrallte, fünfstrahlige Endorgane. Der Mundraum ist seitlich durch die Wangen, oben durch den Oberkiefer und unten durch den Unterkiefer begrenzt. Das Gehirn besteht aus 5 Abschnitten (Vorder-, Zwischen-, Mittel-, Klein- und Nachhirn), von denen das Vorderhirn sehr stark ausgeprägt ist und fast alle anderen Hirnteile überdeckt. Die Haut ist sehr drüsenreich und dient damit der Wärmeregulation (Schweiß- und Talgdrüsen). Die Säugetiere haben sich fast alle Lebensräume der Erde erobert; einige Ordnungen sind sekundär dem Luft- oder dem Wasserleben angepasst(Wale). Die Säugetiere stammen vermutlich von Sauriern aus der Gruppe der Therapsiden ab. Die ersten fossilen Höheren Säugetiere aus der Trias waren spitzmausartig, so dass die Insektenfresser als Stammform gelten können.
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Signifikant größeres Gehirn
Der mögliche Säugetier-Urahn hatte aber für seine winzigen Ausmaße ein signifikant größeres Gehirn als die primitivsten bislang bekannten Säugetiere.

Die Entdeckung von "Hadrocodium wui" erweitert die Zeitspanne, aus der man Säugetierfossilien kennt, um 40 Millionen Jahre. Das bedeutet eine Rückdatierung für das Auftreten der Säugetiere auf der Bühne der Evolution.
Der Schädel von "Hadrocodium wui"
 


Die Abbildung zeigt eine Seitenansicht des Schädels von "Hadrocodium wui".
Gehirn-Entwicklung als Motor
Für die Forscher war die Größenzunahme des Gehirns der entscheidende Entwicklungsmotor. Er führte, so die Wissenschaftler, zur Absonderung der Mittelohrknochen vom Unterkiefer.

Bei den Reptilien besteht der Unterkiefer noch aus mehreren Knochen, während Säuger nur einen Unterkieferknochen haben. Die Anatomie des Schädels von "Hadrocodium wui" deute auf ein ausgeprägtes Gehör- und Geruchsvermögen; denn die dafür zuständigen Gehirnregionen seien gut entwickelt gewesen.
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Gehirnentwicklung bei den Säugern
Vor allem die Entwicklung des Vorderhirns spielte eine entscheidende Rolle in der Evolution der Säugetiere. Es besteht aus 2 Hemisphären, deren Wand den Hirnmantel bildet. Am Boden jeder Hemisphäre ist ein Basalganglion ausgebildet, das bei den Vögeln besonders umfangreich ist. Am Vorderrand der Hemisphären treten die Riechnerven in das Großhirn ein und gehen in einen Teil des Hirnmantels weiter. Der Teil des Hirnmantels, der keine Riechnerven aufnimmt wird zu einem übergeordneten Zentrum, dessen Umfang und Komplexität innerhalb der verschiedenen Wirbeltierklassen zunimmt, bis es bei den Säugetieren zum Sitz der Gedächtnis- und Intelligenzleistungen wird. Innerhalb der Klasse der Säugetiere dehnt sich das Großhirn durch Vergrößerung und Faltung der Oberfläche stark aus und erreicht beim Menschen seine weitaus größte Ausbildung.
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Entfernter Cousin oder direkter Vorfahre?
Beim ersten Erscheinen von "Hadrocodium wui" dominierten die Dinosaurier die damaligen Land- und Wassermassen dieser Erde. Die Entwicklung zu den einzelnen Säugetiergruppen sollte noch etliche Jahrmillionen in Anspruch nehmen.

"Hadrocodium wui" könnte entweder ein entfernt verwandter Cousin, ein frühes Säugetier, das parallel zu den Vorfahren unserer heutigen Säugetiere existierte, sein oder er ist unser aller Urgroßonkel", so Luo.

"Es existiert aber noch eine dritte Möglichkeit: Er ist der direkte Vorfahre aller heute lebenden Säugetiere. Die Fossilfunde allein können aber nicht zwischen jenen drei Möglichkeiten unterscheiden", resümiert Luo.

(red)
Der Originalartikel im 'Science Magazine' ist unter dem Titel " A New Mammaliaform from the Early Jurassic and Evolution of Mammalian Characteristics " erschienen (Volume 292, Number 5521, Issue of 25 May 2001, pp. 1535-1540.)
->   Originalartikel im Science Magazine(kostenpflichtig)
->   Wirbeltier-Paläontologie des 'Carnegie Museum of Natural History'
->   Museum of Comparative Zoology, Harvard University
 
 
 
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01.01.2010