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ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit 
 
Hanf als Medizin  
  Jene Pflanze, die seit Jahrtausenden Rohstoff für Hosen und Kleidung war und ist - auch für die erste Jean -, die zudem Mensch und Tier mit hochwertigen Nahrungsmitteln und Medizinen versorgte, nämlich Hanf (Cannabis Sativa), feiert eine medizinische Renaissance. Vor allem im Bereich der Neurologie kommt sie nun dort zur Anwendung, wo andere Medikamente versagen.  
Erfolgreiche Cannabis-Therapie in Innsbruck
Die erste österreichische Studie zum Einsatz von Cannabis bei Multipler Sklerose wurde an der Neurologischen Abteilung der Innsbrucker Universitätsklinik durchgeführt.

Klinisch austherapierten Multiple Sklerose Patienten, die über Jahre Medikamente gegen Spasmen erhalten haben, und bei denen diese Präparate keine Wirkung mehr erzielten bzw. die Nebenwirkungen überhand nahmen, wurden in einer Doppelblindstudie mit einem synthetischen Cannabinoid behandelt.
Erkennbarer Nutzen
Alle Patienten, obwohl klinisch austherapiert, zogen erkennbaren Nutzen aus dem neuen Cannabispräparat. Die Studienteilnehmer berichteten von einer deutlichen Abnahme der Spasmen, gaben an, die Nacht wieder durchschlafen zu können - was vielen jahrelang verwehrt geblieben ist - und waren laut eigenen Berichten auch seelisch und somit stimmungsmäßig "aufgehellt".
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Vor allem motorische Leistungen wie Schreiben funktionierten wieder, auch die Leseleistung verbesserte sich bei den Patienten, von denen viele an den Rollstuhl gefesselt sind.
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Traditionelles Heilmittel
Wer weiß schon, woher die Reeperbahn ihren Namen hat? Der Hanf zur Fasergewinnung, von deutschen Bauern angebaut, wurde beim so genannten "Reepern" - daher der Name, gebrochen, um die Faser vom Stengel zu lösen.

Im Hamburger Hafen wurden, das beweisen die Hafenbücher, im 19. Jahrhundert Tonnen Indischer Hanfspitzen, Tonnen von Haschisch - des gepressten Blütenharzes der Hanfpflanze, gelöscht und ins gesamte Kaiserreich weitertransportiert. Zuerst an den kaiserlichen Hof, an Apotheker und Ärzte.
Einzige Hilfe für Tourette-Patienten
In Hannover, an der Neurologischen Abteilung der Medizinischen Fachhochschule, spielt die aktuelle deutsche Hanfgeschichte. Dr. Kirsten Müller-Vahl arbeitet eng mit der deutschen Tourette-Gesellschaft zusammen.
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Gilles De La Tourette-Syndrom
Tourettepatienten sind Menschen mit neurologischen Bewegungsstörungen, sie leiden unter motorischen oder vocalen Tics. Die Ursache dieser Erkrankung ist unbekannt, sie gilt als unheilbar. Zur Orientierung: Wird ein Tourette-Patient von einem Anfall geschüttelt, "zuckt" er also, dann verbraucht dieser Mensch während seines Anfalls so viele Kalorien wie ein Marathonläufer während der gesamten 40 Kilometer.
->   www.tourette.de
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Solche Tourette-Patienten wurden von Dr. Müller-Vahl für eine Doppelblindstudie ausgesucht, als Medikament wurden Kapseln reinen THCs, also des Hauptwirkstoffes der Hanfpflanze, als einmalige Tagesgabe über einen längeren Zeitraum verabreicht.
Verbesserung bei Aufmerksamkeitstests
Mit dem Ergebnis, dass die Anfallshäufigkeit drastisch zurückging, die Tics rund 70 Prozent an Intensität abnahmen. Gleichzeitig wurden Hirnleistungstest vor und nach THC-Gabe durchgeführt. Wobei sich keine Verschlechterung nach THC-Gabe zeigte, sondern vielmehr eine Verbesserung z.B. bei Aufmerksamkeitstests.
Rechtliche Lage in Österreich
In Österreich ist es verboten, die Hanfpflanze oder Teile der Hanfpflanze zu verwenden, Essenzen oder Auszüge herzustellen, zu konsumieren, weiterzugeben, oder zu verkaufen. Von Geldstrafen bis zu hohen Haftstrafen ist alles möglich.
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Internationalen AG Cannabis als Medizin
Die Arbeitsgemeinschaft CAM - ein Zusammenschluss von österreichischen Ärzten -, die für die Freigabe der medizinischen Verwendung von Cannabis eintritt, ist Mitglied der Internationalen AG Cannabis als Medizin. Vorstand Dr. Kurt Blaas ist praktischer Arzt in Wien. Zu seinen Patienten zählen Krebs- und Aidskranke, Multiple Sklerose Patienten, Epileptiker, Magersüchtige und viele andere, denen er Dronabinol verschreibt. Dronabinol ist ein reines THC in Kapselform, das er in Gemeinschaft mit der Wiener Weltheilandsapotheke aus Deutschland importiert. Wobei der Patient die Kosten selbst tragen muss. Die CAM fordert die uneingeschränkte Verschreibungsmöglichkeit von Cannabis und Cannabisprodukten in indizierten Fällen. Und vor allem fordern die Mediziner, dass die Krankenkassen die Kosten tragen sollten, wenn es kein anderes oder besseres Medikament gibt.
->   International Association for Cannabis as Medicine
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Erste Entkriminalisierung
Ein erstes Urteil aus Oberösterreich ist vielleicht ein erster Schritt in Richtung Entkriminalisierung:. Einem 42-jährigen AIDS-Patienten - schon mehrfach wegen Hanfbesitzes und Konsums angeklagt und verurteilt - wurde von einem Richter der Anbau mehrerer Hanfpflanzen und der Konsum derselben erlaubt.

Begründung: Der Anwalt des Beklagten konnte durch Vorweisen internationaler Studien beweisen, dass kein besseres appetitsteigerndes, schmerzstillendes und das Wohlbefinden allgemein verbesserndes Präparat am Markt erhältlich sei.
London setzt auf Cannabis gegen Multiple Sklerose
Die Regierung Großbritanniens hat heuer eine landesweite Studie zum Einsatz von Cannabis bei Multipler Sklerose gestartet. Viele Krankenhäuser und medizinische Institute bzw. Universitätskliniken prüfen die Wirkung von Cannabis bei dieser Erkrankung.

Denn wie die Innsbrucker Forscher bewiesen haben, dürften Hanfextrakte oder chemische Nachbildungen derselben, zu den wirksamsten Medikamenten bei MS gelten.

Mitte Januar dieses Jahres erhielten die ersten Patienten ihre Kapseln mit Hanföl, insgesamt sind 40 Institute an der Studie beteiligt. Jenes Hanföl, das den britischen Patienten bei der Großstudie verabreicht wird, stammt übrigens aus der Schweiz.
->   UK Medicinal Cannabis Projekt
Liberalisierung in der Schweiz
Während Hanfkonsumenten in Österreich strafrechtlich verfolgt werden, hat die Schweizer Regierung gemäß einem Volksentscheid nun die Gesetze geändert. In Zukunft sollen Kantons-Biobauern den Hanf für die medizinische Verwendung der Schweizer erzeugen, und offensichtlich exportieren die Schweizer auch schon Cannabisöl nach Großbritannien.
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Der Anbau und Konsum für den Eigenbedarf soll übrigens auch noch in diesem Jahr freigegeben werden, schon jetzt kann man Hanfkissen, Hanfpolster, Hanfblüten für Tees etc. in der Schweiz kaufen. Auf diese Art und Weise ist der Anbau weitgehend unter Kontrolle und der bisherige Schwarzmarkt reduziert.
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Cannabis bei Aids- und Krebstherapien
In Amerika ist ein Präparat, das reines THC enthält, zugelassen. Es findet Anwendung in der Behandlung von AIDS-, Chemotherapie- und Krebspatienten.

Trotzdem ist die Lage von US-Bundesstaat zu US-Bundesstaat verschieden. Ist in Oregon, Kalifornien, Arizona, Washington, Alaska, Maine und Hawaii die medizinische Verwendung erlaubt, drohen in anderen Bundesstaaten schon für den Besitz kleinster Mengen Haftstrafen.
Der kanadische Weg
Die kanadische Regierung hat mittlerweile das Problem anders gelöst. Ein Unternehmen wurde ausgewählt, das das Land erstmals legal mit Hanf für Medizin und Forschung beliefern soll.
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Beauftragt wurde eine Firma in Saskatoon, innerhalb eines Jahres standardisiertes Qualitätsmarihuana zu liefern. Dieses soll dann für die Forschung verwendet oder aber an Patienten abgegeben werden.
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Büro für medizinisches Cannabis
In den Niederlanden hingegen, ist Cannabis offiziell nach wie vor verboten. Besitz und Ankauf kleiner Mengen wird jedoch seit Jahren nicht mehr verfolgt. Für den medizinischen Bereich hat das Holländische Gesundheitsministerium nun ein eigenes Büro für medizinisches Cannabis (Bureau voor Medicinale Cannabis) eingerichtet.

Dazu erklärte die Ministerin Els Borst-Eilers: "Viele Fallberichte und Studien zeigen, dass Cannabis eine hochwertige Medizin sein könnte." Viele werten dies für ein Indiz, dass auch in den Niederlanden, Cannabis im medizinischen Bereich in absehbarer Zeit eingesetzt werden soll.

Josef Glanz, Modern Times
->   Österreichisches Hanfinstitut
 
 
 
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01.01.2010