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"Springendes Gen" soll Krebs-Gene identifizieren  
  Gene können eine große Rolle bei der Entstehung von Krebs spielen. Aber welche Gene sind bei so verschiedenen Krankheiten wie Brust-, Lungen- oder Magenkrebs beteiligt? Krebsforscher aus den USA präsentieren eine neue Identifikationsmethode: Ein reaktiviertes springendes DNA-Stück aus dem Fisch-Genom kann zumindest bei Mäusen zielgerichtet die Aktivität von Genen verändern. Entsteht dadurch Krebs, könnte das entsprechende Gen in die Liste der möglichen Krankheitserreger aufgenommen werden.  
Aber nicht nur zur Identifikation möglicher Krebs-Gene könnte der "Dornröschen" genannte DNA-Abschnitt eingesetzt werden.

In Betracht kämen auch andere erblich bedingte Krankheiten wie Diabetes Typ I, geben sich die Wissenschaftler optimistisch.
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Zwei Studien
Zum Potential der springenden "Dornröschen"-DNA sind in "Nature" vom 14. Juli 2005 zwei Studien erschienen:

"Cancer gene discovery in solid tumours using transposon-based somatic mutagenesis in the mouse" von Lara Collier und Kollgen (Band 436, S. 272-276, doi:10.1038/nature03681)

"Mammalian mutagenesis using a highly mobile somatic Sleeping Beauty transposon system" von Adam Dupuy und Kollegen (Band 436, S. 221-226, doi:10.1038/nature03691)
->   Nature
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Transposone verändern Gen-Funktionen
Springende Gene sind DNA-Stücke, die sich im Genom eines Lebewesens frei bewegen können. Diese Transposone, so der Fachausdruck, können sich zwischen zwei andere Gene schieben oder in ein Gen vordringen und seine normale Funktion verändern.

Damit ein DNA-Stück zu einem "Jumping Gene" werden kann, braucht es einen Helfer: ein korrespondierendes Protein, die so genannte "Transposase", die das Überspringen auf ein anderes Gen einleitet.
"Dornröschen" galt als nutzlose DNA
Die Forscher von den Krebsforschungszentren an den Universitäten Minnesota und Maryland haben für ihre Studien ein spezielles Transposon/Transposase-Duo ausgewählt: Es wird "Sleeping Beauty" ("Dornröschen") genannt, weil es zwar im Fischgenom noch vorhanden ist, seine springende Funktion aber verloren hatte.

"Dornröschen" galt gemeinsam mit vielen anderen DNA-Abschnitten als "Junk-DNA": wahrscheinlich nutzloser Müll, der versteckt die Evolution überdauert.
->   Mehr über Junk-DNA in science.ORF.at
"Dornröschen" von Wissenschaft wach geküsst
Um "Dornröschen" zur Kennzeichnung von Genen verwenden zu können, musste es zuerst von der Forschung wach geküsst werden, also es seine springende Tätigkeit wieder aufnehmen.

Dies ist Wissenschaftlern schon Ende der 1990er Jahre gelungen, aber erst jetzt wurden die viel versprechenden Versuche zur Identifizierung von Krebs-relevanten Genen veröffentlicht.
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Vorteile springender Gene
Es gibt verschiedene Methoden, um die Funktionen von Genen zu identifizieren: Chemische Stoffe werden ebenso verwendet, um Genaktivitäten zu verändern und die Auswirkungen auf den Organismus zu studieren, wie Bestrahlung oder Viren. Das Problem dabei: Diese Interventionen wirken diffus auf eine große Bandbreite von Genen, weshalb die exakte Identifikation, welches Gen nun verändert wurde, lange dauern kann.

Springende Gene von der Sorte "Dornröschen" haben im Vergleich einen großen Vorteil: Ihre DNA-Sequenzen sind bekannt und ebenso der "Stempel", den sie dem veränderten Gen aufdrücken. Die Spur kann deshalb relativ problemlos im Organismus verfolgt werden.
->   Mehr über springende Gene bei Wikipedia.de
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Zerstörung oder Steigerung der Aktivität
Die US-Forscher beobachteten zwei Arten, wie "Dornröschen" Gene verändern kann: Wenn das Transposon in das Gen eindringt, beeinflusst es das Protein, für das das Gen kodiert. Normalerweise zerstört es die Funktion. Wenn nach Zerstörung eines Gens Krebs entsteht, könnte man im Umkehrschluss annehmen, dass es sich dabei um ein schützendes Element handelt (einen Tumorsuppressor).

Die zweite Möglichkeit besteht darin, dass sich "Dornröschen" in der Nähe eines Gens anlagert. Das steigert die Aktivität, wodurch Auswucherungen wie bei Krebs entstehen können. Damit könnten "Krebs-Gene" identifiziert werden.
Zusammenspiel verstehen ...
Den Forschern geht es derzeit noch darum, mit der neuen Methode die Krebs-relevanten Gene zu identifizieren und ihr Zusammenspiel zu verstehen.

In einem nächsten Schritt wäre es möglich, Medikamente genauer auf die Vorgänge im Körper zuzuschneiden, meinen Lara Collier, Adam Dupuy und Kollegen.
... und Behandlung genauer abstimmen
"Kein Krebs wird je mit nur einem Medikament zu behandeln sein", so David Largaespada, der im Team von Adam Dupuy an der Studie gearbeitet hat, in einer Presseaussendung der Universität Minnesota.

Aber erst das Verständnis für die komplexen Interaktionen auf zellulärer Ebene würde die Möglichkeit eröffnen, etwa das Versorgungssystem eines Tumors effektiv anzugreifen.
Breite Anwendung
Fachkollegen sehen die Anwendungsmöglichkeiten der "Dornröschen"-Methode in einem die Studien begleitenden Kommentar breiter gestreut: Ihrer Meinung nach könnte damit jede genetisch bedingte Krankheit, gleichgültig ob Diabetes Typ I oder Erbkrankheiten, genauer erfasst und eventuell einmal durch gezielte Zugabe neuer DNA-Information behandelt werden.

Elke Ziegler, science.ORF.at, 14.7.05
->   Krebsforschungszentrum der Universität Minnesota
->   Krebsforschungszentrum der Universität Maryland
Mehr über springende Gene und "Junk DNA" in science.ORF.at:
->   Springende Gene machen Gehirne einzigartig (16.6.05)
->   Perlen und echter Abfall im "genetischen Müll" (4.6.04)
->   Springende Gene im Reis entdeckt (9.1.03)
 
 
 
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01.01.2010