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Ethisches Dilemma: Affen mit menschlichen Hirnzellen  
  Seit mit der Stammzellen-Forschung begonnen wurde, haben Ethiker immer wieder moralische Bedenken geäußert. In einer neuen Studie widmeten sich US-Forscher der Frage, ob die Einpflanzung menschlicher, neuronaler Stammzellen in das Gehirn von Affen ethisch vertretbar sei.  
Könnte es sein, dass Wahrnehmung und Verhalten des Affen nach der Stammzell-Transplantation menschenähnlich werden? Darüber und über die moralischen Aspekte solcher Verfahren diskutierte eine im Jahr 2004 gegründete Arbeitsgruppe.
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Die Ergebnisse der Studie "Moral Issues of Human-Non-human Primate Neural Grafting" des multidisziplinären Forschergremiums um Mark Greene, University of Delaware, wurden am 15.7.2005 im Journal "Science" (Bd. 309, S.1) veröffentlicht.
->   "Science"
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Werden Versuchstiere menschenähnlich?
Im Wörterbuch der Biologie sind sie unter dem Begriff "Schimäre" zu finden. Für Ethiker aber werfen Versuchstiere mit menschlichen Hirnzellen knifflige Fragen auf.

Vermögen Affen, denen im Rahmen medizinischer Experimente Hirnzellen des Menschen eingepflanzt werden, wie ein solcher zu empfinden, zu genießen oder zu trauern?
Umstrittener Status der Tiere
In der jüdischen und christlichen Religion stünden Menschen als Auserwählte Gottes über anderen Lebensformen, argumentieren die Autoren von mehreren amerikanischen Elite-Universitäten.

Auch die Kant'sche Philosophie setze den Menschen wegen seiner Fähigkeit, rational zu denken, abseits der Tierwelt.

Welcher Status komme dann Tieren zu, die teils schon als Fötus, teils erst im fortgeschrittenen Alter Hirngewebe oder Stammzellen des Menschen in ihrem Gehirn tragen?
Sechs Faktoren als Bezugssystem erarbeitet
Mögliche Antworten hängen von sechs Faktoren ab, schreiben die Wissenschaftler:

- der Größe des menschlichen Implantats im Vergleich zum
Umfang des tierischen Empfängerhirns
- dessen Entwicklungsstand zur Zeit der Implantation
- von der Tierart
- der Größe des Tierhirns
- der Region, in die die menschlichen Zellen eingepflanzt wurden
- sowie von dem Zustand des Hirns.
Eventueller Profit für die Tiere
Versuchstiere etwa, die eigens zur Suche nach Therapien für die Alzheimer- oder auch die Parkinsonsche Krankheit gezüchtet wurden, könnten von gesunden Hirnzellen profitieren, ohne notwendigerweise von menschlichem Empfinden geplagt zu werden, meinen die Autoren.
Plädoyer für erwachsene, wenig verwandte ...
Am wenigsten Bedenken haben die Experten gegen die Implantation menschlicher Zellen in das Hirn ausgewachsener gesunder Affen, noch dazu, wenn diese dem Menschen verwandtschaftlich nicht zu nahe stehen.

Unter diesen Umständen sei kaum eine grundlegende Veränderung in der mentalen Kapazität der Tiere zu befürchten.
... und gegen junge, verwandte Affen
Nicht so bei menschlichen Stammzellen, die einem eng verwandten Menschenaffen in größerem Umfang während der ganz frühen Entwicklung eingesetzt werden.

Noch dazu, wenn eine Region wie das Großhirn dafür gewählt wird, das viele der anspruchsvollsten Hirnfunktionen zu regulieren hat, geben die Forscher zu bedenken.
Verhalten soll genau analysiert werden
Um relevante Veränderungen zu ermitteln, raten die Forscher zu detaillierten Verhaltensstudien an den betroffenen Versuchstieren.

Doch was ist normal - und was gegebenenfalls menschlich geprägt?

Schon diese Frage sei nur schwer zu beantworten, zumal schon der Umgang mit Menschen im Labor die Reaktion der Tiere beeinflusse.

[science.ORF.at/APA/dpa, 15.7.05]
Mehr dazu in science.ORF.at:
->   Muskel-, Knochen- und Fettzellen aus Stammzellen (27.06.05)
->   Künstliche Spermien und Eizellen in zehn Jahren (20.06.05)
->   Neue Methode zur Herstellung von Blutzellen (17.06.05)
->   US-Akademie: Richtlinien für Stammzellenforschung (27.04.05)
 
 
 
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01.01.2010