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Diskussion: Neue Uni gegen Zugangs-Misere?  
  Österreich hat eine niedrige Akademikerquote, der Zugang zu mehreren Studienrichtungen wurde in den vergangenen Tagen beschränkt, nun besetzen auch noch viele deutsche Studenten die Studienplätze. Wäre dann nicht eine logische Konsequenz daraus, hier zu Lande neue Universitäten zu gründen? Das Bildungsministerium verneint und sieht nur den Bedarf für eine Elite-Uni, Experten denken an eine "Billig-Uni" mit pensionierten Professoren und unterstreichen die Notwendigkeit einer europaweiten Hochschulplanung.  
Höllinger sieht nur für Elite-Uni Bedarf
Österreich habe gar nicht zu viele Studenten, sondern zu wenige Absolventen, meint Sigurd Höllinger, Sektionschef im Bildungsministerium und einer der Väter der Universitätsreform: Denn die Drop-Out-Quote ist hierzulande sehr hoch, viele machen ihr Studium nicht fertig.

Es gebe ohnehin genügend Unis, meinte Höllinger im Ö1-Morgenjournal, die Dichte sei mit 21 Hohen Schulen schon sehr hoch. Neugründungen sieht er nicht für notwendig, mit einer Ausnahme: eine Spitzenuniversität, also die vieldiskutierte Elite-Uni.

Den vielen studierwilligen Jugendlichen, die erst am Beginn stehen, nützt diese Institution, die gerade einmal für 50 Leute Platz finden wird, freilich wenig.
Eine Senior-Universität als Billiglösung?
Aus dem Umfeld der Arbeitsgruppe "Profilentwicklung" im Bildungsministerium hört man da andere Überlegungen. In Deutschland, so heißt es dort, habe es die Idee einer Senior-Universität gegeben.

Für wenig Geld sollen dort pensionierte Professoren unterrichten und auch Forschung treiben. Umgesetzt wurde das noch nirgends, und kostenlos wäre auch diese Billigversion nicht.
Ausbildung statt Bildung herrscht vor
Für den Wiener Soziologen, Hochschulexperten und Autoren des kritischen Buches "Uni im Out" Reinhold Knoll liegt das Übel schon in den Auswirkungen der Massenuniversitäten. Sie verkamen von Bildungs- zu Ausbildungsstätten, die nicht mehr so sehr forschten, als vorhandenes Wissen an die Studenten abgaben.

Daraus entstand die Illusion, dass jeder Uni-Absolvent auch gleich eine Lebensstellung in der Tasche habe - und genau das stimmt nicht, meinte Knoll im Ö1-Morgenjournal.
EU-weite Uni-Planung wäre nötig
Ein Gegenmittel sieht er jedoch nicht: "Auf die grüne Wiese ein Gebäude hinzustellen und 'Universität' darauf zu schreiben - das wird schief gehen. Das ist ja schon bei Industriebetrieben schief gegangen, die gemeint haben, sie lagern ihre Konzerntätigkeiten in Billiglohnländer aus. Dasselbe wird den Universitäten passieren", so Knoll.

Der Soziologe spricht sich für ein Abgehen von Mammut-Universitäten aus, aber gegen einfache Teilungen von Groß-Unis, "wie seinerzeit angedacht, das wäre Denken in einem veralteten Modell." Stattdessen bedürfe es einer EU-Universitätsplanung.
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EuGH-Urteil stand zu Beginn der Diskussion
Begonnen haben die aktuellen Diskussionen mit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs. Dieser entschied am 7. Juli, dass die in Österreich geltenden Zugangsbeschränkungen an Hochschulen für Studenten aus dem EU-Ausland eine "Diskriminierung" darstellen und damit gegen EU-Recht verstoßen. Daraufhin wurden per Gesetz für acht Studienrichtungen vorerst auf zwei Jahre beschränkte Kapazitätsbegrenzungen beschlossen.
->   Nun "perfekt": Aus für offenen Uni-Zugang (8.7.05)
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Zwei Voraussetzungen: Sprache Englisch und Mäzene
Die Gründung von neuen Universitäten kann also nicht mehr ein Land alleine leisten, meint der Uni-Experte Reinhold Knoll. Das gelte auch für das Medizinstudium: Wenn es quasi europäisiert werde, könnten ohne Probleme deutsche oder andere Studenten in großer Zahl an unsere Unis kommen, wenn dafür die Österreicher die gleichen Studienchancen in anderen europäischen Ländern hätten.

Eine Voraussetzung dafür: ein ausgetüftelter europäischer Hochschulraum und die durchgehende Unterrichts- und Forschungssprache Englisch. Und die zweite Voraussetzung: private Geldgeber, reiche Mäzene, die in den USA Unis finanzieren, die es in Europa aber kaum gibt.

Martin Haidinger, Ö1-Wissenschaft, 21.7.05
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->   science.ORF.at-Archiv zum Thema Uni-Zugang
 
 
 
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01.01.2010