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Frühe Nomadenkultur auf arabischer Halbinsel  
  Ein steinzeitlicher Friedhof im Emirat Sharjah in den Vereinigten Arabischen Emiraten liefert Hinweise auf eine hochentwickelte Steinzeitkultur. Archäologen haben jetzt die Hinweise auf das Leben jener Wüstennomaden vor 7000 Jahren untersucht.  
Die steinzeitlichen Nomaden verfügten über erstaunliche technologische Fähigkeiten. Hans-Peter Uerpmann vom Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters der Universität Tübingen und sein Team können nach Beendigung ihrer 6. Grabung ein recht umfassendes Bild vom Leben jener arabischen Wüstennomaden zeichnen.
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Nomadismus
eine ausschließlich durch die Weidewirtschaft geprägte Wirtschaftsform bei Völkern der Alten Welt, die ohne ständigen Wohnsitz, jedoch mit festumgrenzten Weidegebieten leben. Wege und Rhythmus der Wanderungen sind festgelegt. Man unterscheidet: Vollnomadismus (nur in wenigen Fällen, völlig ohne eigenen Ackerbau) und Halbnomadismus (feste Winterquartiere und Getreideanbau); Sonderform: Bergnomadismus (feste Wohnsitze und Winterweide im Tal, ohne Stallung, Sommerweide auf Bergen Weiterentwicklung zur Almwirtschaft). - Der Nomadismus hat sich zu Beginn der Bronzezeit(vor über 4000 Jahren) im europäisch-asiatischen Raum aus der Anbauwirtschaft mit Viehhaltung über den Halbnomadismus entwickelt.
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Der Friedhof als archäologische Fundgrube
Die Tübinger Archäologen untersuchten in erster Linie einen steinzeitlichen Friedhof im Emirat Sharjah in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Am Fuße des Jebel-al-Buhais-Berges hatten die Nomaden ihre Toten bestattet. Interessant war aber auch, dass sie dort auch jene Toten begraben hatten, die irgendwo anders gestorben waren, denn die Wissenschaftler fanden etliche 'Sekundärbestattungen'.

In vielen Gräbern fanden sich Knochenbündel, auf denen der Schädel beigesetzt war. "Das ist keine anatomische Anordnung, es ist davon auszugehen, dass die Knochen als Bündel hergeschafft worden sind. Diese Menschen sind also an anderer Stelle gestorben und dort verwest, bevor ihre Knochen zum Jebel al-Buhais gebracht und dort endgültig bestattet worden sind", erklärt Hans-Peter Uerpmann.
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Ein steinerner Glücksfall
Der Friedhof lag direkt auf bergigem Gelände und nicht in der Wüste, ein Glücksfall für die Archäologen. "Wüstenboden ist für organische Reste wie Knochen sehr ungünstig. Von unten steigt auch dort ständig Feuchtigkeit nach oben, die den Knochen angreift. Die wenigen Pflanzen werden das Wasser und die Knochenmineralien begierig aufgesogen haben", erklärt der Tübinger Archäologe. An der Grabungsstelle hatte sich Chemie des Bodens derart verändert, dass die knöchernen Überreste der Nomaden 7000 Jahre erhalten blieben. Etwa 350 teils vollständige Skelette konnten die Tübinger Archäologen mittlerweile bergen.
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Aufschluss über Lebensweise
Die bestatteten Überreste liefern Informationen über die Lebensweise und den Entwicklungsstand der arabischen Nomaden vor 7000 Jahren. Die Forscher entdeckten an einem Schädel Spuren einer Trepanation, einer Öffnung der Schädeldecke am lebenden Menschen. Eventuell haben die Steinzeit-Nomaden damit versucht, Geisteskrankheiten zu behandeln, vermuten die Archäologen.

Am Rande des Friedhofes lagen die Überreste von über hundert Feuerstellen. Auch 7000 Jahre alte tierische Reste von Mahlzeiten konnten die Wissenschaftler identifizieren. Der Anteil pflanzlicher Nahrung am Ernährungsspektrum der Nomaden konnten die Archäologen noch nicht klären. Bislang waren weder Körner noch Früchte in der Asche der Feuerstellen aufgetaucht.
Keine reinen Fleischesser
Reine Fleischesser sind die steinzeitlichen Nomaden nach Auffassung von Uerpmann aber nicht gewesen, da zumindest ein kleiner Teil pflanzlicher Nahrung immer Bestandteil verschiedener Kulturen gewesen sei. Milch stand in Form von Ziegen und Schafen zur Verfügung.

Die Altersprofile der gefundenen Tierknochen gaben den Hinweis: "Wenn man Tiere melken möchte, lässt man sie acht bis zehn Jahre alt werden, so dass sie im Lauf ihres Lebens mehrere Junge bekommen können."
Schmuck als Grabbeigabe
Überraschend war für die Archäologen, dass die Menschen vom Jebel-al-Buhais fast ausschließlich einen nomadischen Lebensstil pflegten. Hinweis auf ein Leben auf Wanderschaft war auch der Schmuck, der vielen Toten in Form von Grabbeigaben mitgegeben worden war: weiße Korallen, Austernperlen, Schnecken und Muscheln, die aus dem 60 Kilometer entfernten Meer stammen.

Über diverse Handelsverbindungen seien diese eher nicht erworben worden, denn Uerpmann hält die nomadische Lebensweise für eine schlüssigere Erklärung. Denn auch sämtliche anderen Funde deuten auf eine nomadische Lebensweise hin.

(red)
->   Institut für Ur- und Frühgeschichte
und Archäologie des Mittelalters der Universität Tübingen
 
 
 
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01.01.2010