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"Deep Impact": Gemischte Bilanz der Kometenmission  
  Am 4. Juli schlug das 370-Kilo-Projektil auf dem Kometen Tempel 1 ein. Die "Deep Impact"-Mission der NASA wurde von rund 80 Teleskopen auf der Erde und im Weltraum verfolgt. Zwei Monate später, nach Auswertung der Bilder und Daten, ziehen Astronomen eine gemischte Bilanz: Während eine Reihe von erhofften Erkenntnissen nicht gewonnen werden konnte, gab es auch überraschende neue Einsichten.  
Der durch das Projektil ausgelöste Einschlag setzte fünf Millionen Kilogramm Wasser frei, zwei bis fünf Mal mehr Staub. Das war ein Vielfaches von dem, was der wissenschaftliche Leiter der Mission, Michael A'Hearn von der University of Maryland, und sein internationales Team erwartet hatten. Auch die enorm hohe Fragilität des Materials überraschte die Forscher.

Fazit der bisherigen Erkenntnisse: Die Vorgänge im Inneren von Kometen sind weiter unbekannt und den "typischen" Kometen gibt es nicht.
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Die drei Studien "Deep Impact: Excavating Comet Tempel 1", "Deep Impact: Observations from a Worldwide Earth-Based Campaign" und "Deep Impact Observations by OSIRIS Onboard the Rosetta Spacecraft" sind am 9.9.2005 online im "Science Express" erschienen.
->   Science Express
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Eine staubige Angelegenheit
 
Bild: NASA/Michael A'Hearn

Bilderserie des Einschlags

Eine kleine Staubwolke und der freie Blick auf den eisigen Kometenkern, einer 4,6 Milliarden Jahre alten Urmasse - das hätte das Astronomenherz erfreut.

Doch die Beobachtungen - sei es vom Mutterraumschiff der "Deep Impact"-Mission, von der ESA-Raumsonde "Rosetta" oder den vielen Bodenstationen auf der Erde aus - ergaben: Die Wirbel von Staub, Gas und "erstaunlicherweise" auch organischem Material waren um ein Vielfaches größer als vermutet, der Blick auf den Kern nicht freigelegt.
Krater eher flach
Die Staub-Eruption verhinderte sogar den freien Blick auf den entstandenen Krater für die hoch auflösende NASA-Kamera, die das Ereignis in 500 Kilometern Entfernung verfolgte.

Bis heute fehlen daher Bilder der Kraterentstehung - ein zentrales Ziel der Mission - und seine genaue Vermessung. Schätzungen von A'Hearn zufolge hinterließ der Einschlag des Kupfer-Projektils einen 100 Meter breiten und 30 Meter tiefen Krater.

Die Forscher gehen davon aus, dass dieser eher flach ist. Ausgeblieben sind auch erhoffte "Nachwirkungen" durch den Einschlag: Gepaart mit einem technischen Fehler der hoch auflösenden Kamera bei der Aufnahme der Bilder, alles in allem ein wenig erfreuliches Resultat.
Poröses Material
Das Staub-Gas-Verhältnis des aufgewirbelten Materials sagt aus: Tempel 1 birgt einen hohen Anteil an flüchtigem Material, auch mehrere Meter tief unterhalb seiner Oberfläche.

Laut A'Hearn weist der extrem poröse 72 Trillionen Kilogramm schwere Kern bis zu 70 Prozent "leeren Raum" auf. Entgegen aller Erwartung wird das eisige Innere des Kometen nicht zum Zentrum hin dichter, es ähnelt eher der Gestalt von puderförmigen, schwach verbundenen Partikeln.

Und: Es gibt auf dem Kometen Regionen mit verschiedener morphologischer Natur, damit Hinweise auf Schichtenaufbau, geologische Prozesse und variierendes Alter.
Fragil statt stabil
Kometen galten in der Astronomie bisher vor allem als stabile Träger kosmischen Urmaterials, aus dem das Sonnensystem und die Planeten geformt wurden - ehemalige Spender der chemischen Zutaten für das Leben auf der Erde.

Das hochgradig fragile Material auf Tempel 1 spricht nun aber nicht gerade für Stabilität. "Man könnte davon einen Klumpen aufklauben, wie man beim Skifahren in den Pulverschnee greift, nur bestünde Ersterer eher aus Staub", sagte A'Hearn gegenüber der BBC.

Langfristige Beobachtung des Kometen ergaben zudem, dass Tempel 1 eine ganze Serie natürlicher Ausbrüche, periodischer "Jets", schon vor und nach dem künstlichen "Deep Impact"-Einschlag erlebt hat, alle ähnlicher Wirkungskraft.
Kometen-Vielfalt
Eigentlich hätte der Komet Tempel 1 ein typisches Mitglied der Kometenfamilie des Jupiter sein sollen: Doch "Borrelly", "Wild 2" und "Tempel 1" sind in Form und Topographie so unterschiedlich, dass die Forscher zweifeln: Gibt es überhaupt einen "typischen" Kometen?

Bei einem Treffen der "Division for Planetary Sciences" der American Astronomical Society in Cambridge resümierte Peter Schultz von der Brown University diese Woche im "New Scientist": "Wir müssen anders denken", die Kometen seien wie kein anderer Körper im Sonnensystem.
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Der Artikel "Tails of the unexpected" ist in der Zeitschrift "New Scientist" erschienen (10.9.05, S. 35).
->   New Scientist
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Zukünftige Missionen
Für die Planer der ESA-Mission "Rosetta" sind die Ergebnisse der "Deep Impact"-Mission wenig erfreulich: Im Jahr 2014 will sie einen "Lander" auf dem Kometen Churyumov-Gerasimenko absetzen - doch der staubige Untergrund scheint wenig Halt zu bieten.

Die Hoffnung des Astronomen Donald Brownlee in Cambridge: "Rosetta wird der Schlüssel zum Verständnis über Kometenaktivitäten liefern, da sie nicht einfach ein weiterer Schnappschuss eines Kometen ist, sondern langfristig beobachtet."

Zwei Jahre soll diese Beobachtung dauern. Ob die Rosetta-Mission mehr Fragen beantwortet, als sie neue aufwirft, bleibt abzuwarten.

[science.ORF.at, 8.9.05]
->   Tempel 1 bei der NASA
->   ESA-Mission zum Kometen Churyumov-Gerasimenko
->   American Astronomical Society's Division for Planetary Sciences
->   Department of Astronomy der University of Maryland
Mehr zum Thema bei science.ORF.at:
->   "Deep Impact": Erste Hinweise zu Kometenaufbau (5.7.05)
->   "Deep Impact": Erste Bilder vom Einschlag im Kometen (4.7.05)
->   "Deep Impact": Kometenmission mit explosivem Inhalt (1.7.05)
 
 
 
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01.01.2010