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Auf Gedeih und Verderb  
  Was macht eine stabile Population im Tierreich aus? Der Antwort auf die Frage, warum manche Tiergemeinschaften dem Untergang geweiht scheinen, während andere unter ähnlichen Bedingungen blühen und gedeihen, sind Ökologen jetzt ein Stück näher gekommen.  
Tim Coulson von der Zoological Society of London und seine Kollegen untersuchten eine Population wilder Schafe auf abgelegenen, unbewohnten Inseln vor Schottland.

Die Alters- und Geschlechtsstruktur sind die zentralen Faktoren in der Stabilität solcher Lebensgemeinschaften und deren Wechselwirkung mit Populationsdichte und Wetter, berichten die Forscher in der aktuelle Ausgabe von "Science". Die Witterung fordert bei jenen Schafen genauso ihre Opfer wie diverse Wurm-Parasiten, die etliche verhungern lassen.
Schwankung bislang unzureichend erklärt
Die Größe der Populationen ist von Jahr zu Jahr starken Schwankungen unterworfen, wie die Forscher feststellten. Seit längerem schon versuchen Ökologen, diese Populationsdynamik mit einem Modell zu beschreiben, um zukünftige Entwicklungen besser beschreiben zu können. Doch bisherige Hypothesen konnten nur teilweise die großen Schwankungsbreiten erklären.
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Populationsdynamik
Veränderungen innerhalb von tierischen oder pflanzlichen Populationen mit der Zeit: 1. Änderung der Verteilung der Angehörigen einer Bevölkerung im Raum durch Zu- und Abwandern; 2. Änderung der Populationsdichte durch Fortpflanzung und Tod. Wenn die Vermehrungsfähigkeit der Sterblichkeit nicht genau gleich ist, kommt es zu Veränderungen der Populationsdichte. Die Erforschung der Populationsdynamik stützt sich auf Analysen, in denen quantitative Angaben über möglichst lange Zeit hin zusammengestellt sind; diese Daten werden mathematisch und biologisch analysiert. Ziel ist die Entwicklung von Modellen, aus denen sich zuverlässig die Populations-Entwicklung vorhersagen lässt.
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Elf Jahre Beobachtung
Die Ökologen der Cambridge University analysierten die Ergebnisse einer Langzeitstudie, die elf Jahre lang verschiedene Variablen wie die Alters- und Geschlechtsstruktur aufgezeichnet hatte. Insgesamt entstand dabei ein Datenpool mit Informationen über rund 3.000 wilde Schafe.
Interessante Zusammenhänge
Bei der statistischen Auswertung fiel den Wissenschaftlern gleich ein interessanter Zusammenhang auf. Denn bei der Differenzierung ihrer Ergebnisse nach Alter und Geschlecht stellten sie fest, dass die Populationsdichte negativ mit der Überlebensrate von Lämmern und Weibchen älter als sechs Jahren korreliert.

Das heißt, je größer die Populationsdichte war, desto geringer war die Überlebensrate von Lämmern und Weibchen, die älter als sechs Jahre waren. Dies wirkte sich interessanterweise aber nicht auf das Überleben einjähriger Weibchen aus.

Außerdem hatte das Winter-Wetter einen entscheidenden Einfluss auf die Überlebensrate von Lämmern beiderlei Geschlechts sowie auf die Böcke jeden Alters. Im Gegensatz dazu spielten für Jährlinge und junge Weibchen bis sechs Jahre vor allem die Niederschläge am Ende des Winters eine Rolle.

Populationsdichte und Klimabedingungen sind dabei in einer Art und Weise verschränkt, sodass schlechte Witterungsbedingungen bei zu hohen Populationsdichten (Dichtestress, Anm.) die Überlebenschancen weiter verminderten.
Neues Modell
Die Ökologen bastelten aufgrund jener Ergebnisse ein neues Modell, in das sie die Daten über die Alters- und Geschlechtsstrukturen miteinbezogen. Tatsächlich spiegelten jene Prognosen die Entwicklung der Population treffender wieder als die bisherigen Modelle.

Ausgehend von einer einheitlichen Populationsgröße und identischen Wetterbedingungen, aber unterschiedlichen Populationsstrukturen, entwickelten sich die Lebensgemeinschaften ganz verschieden.

Je größer der Anteil derjenigen war, die am stärksten auf Dichtestress reagieren - also Lämmer und ältere Weibchen, desto bedrohter war die Population insgesamt. Derselbe Effekt zeigte sich, wenn Lämmer, Männchen und ältere Weibchen, also wetteranfällige Tiere, zur Ausgangspopulation gehörten.
Alters- und Geschlechtsstruktur entscheidend
Laut den englischen Wissenschaftlern sollte man bei der Erstellung von Populationsmodellen in erster Linie die Alters- und Geschlechtsstruktur der jeweiligen Tiergemeinschaft ins Auge fassen.

Und das gerade im Hinblick auf mögliche zukünftige Klimaveränderungen. Jene Simulationen könnten dann als Vorbild für viele Populationen großer Huftiere verwendet werden, die ähnlich starke und schwer vorsehbare Populationsschwankungen erleben.

(red)
->   Zoological Society of London
->   Institute of Mathematics and Statistics der Universität Canterbury
->   Institute of Cell, Animal and Population Biology, University of Edinburgh
Originalartikel in Science unter dem Titel: "Age, Sex, Density, Winter Weather, and Population Crashes in Soay Sheep" (Science, Volume 292, Number 5521, Issue of 25 May 2001, pp. 1528-1531; kostenpflichtig).
->   Originalartikel in Science
 
 
 
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01.01.2010