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Modellfall für den Mars: Mikroben im ewigen Eis  
  US-Forscher haben Mikroben entdeckt, die im Eis Grönlands leben und munter Methan produzieren. Das Besondere daran: Lebewesen dieser Art könnten auch für die Methanvorkommen in der Marsatmosphäre verantwortlich sein.  
Berechnungen ergeben jedenfalls, dass die Stoffwechseltätigkeit der Mikroben ausreichen würde, um die auf dem Roten Planeten gemessenen Methanwerte zu erklären. Dies berichtet ein Team um Buford Price von der University of California in Berkeley.
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Die Studie "Microbial origin of excess methane in glacial ice and implications for life on Mars" von H. C. Tung et al. erscheint auf der Website der "Proceedings of the National Academy of Sciences" (doi: 10.1073/pnas.0507601102).
->   Zum Artikel (sobald online)
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Klimaarchive aus Eis
Eisbohrkerne sind Archive der Klimageschichte. Das dahinter stehende Prinzip ist einfach: Jedes Jahr lagern sich auf den Eisschilden der Erde - etwa Grönlands oder der Antarktis - neue Eisschichten ab. Das passiert freilich nicht unabhängig vom gerade herrschenden Klima.

Beispielsweise gibt das Verhältnis der Sauerstoffisotope im Eis Aufschluss über die herrschende Temperatur, Lufteinschlüsse zeigen, wie es um die Atmosphäre bestellt ist - und die Leitfähigkeit des Eises zeigt an, ob etwaige Vulkanausbrüche passiert sind.
Drei Kilometer in die Tiefe
Da die tief liegenden Schichten der Eisschilde uralt sind, können Eisproben auch etwas über längst vergangene Perioden der Erdgeschichte erzählen. Vorausgesetzt, man bohrt tief genug.

Das hat man etwa im Rahmen des "Greenland Ice Sheet Project 2" (GISP2) gemacht: Der bei diesem Forschungsprojekt zutage geförderte Eisbohrkern ist 3053,44 Meter lang und gibt Auskunft über die klimatischen Verhältnisse der letzten 100.000 Jahre.

US-Geologen fanden damit 2001 heraus, dass das Klima während der letzten Eiszeit keineswegs konstant war. Vielmehr pendelte es zwischen wärmeren und kälteren Perioden, die meist einige tausend Jahre dauerten (Science 291, 109).
->   GISP2
Bakterien leben im ewigen Eis
Ein Team um Buford Price von der University of California in Berkeley hat nun die Methan-Konzentrationen der letzten 100.000 Jahre untersucht und dabei Interessantes entdeckt: Auf den letzten 90 Metern des rund drei Kilometer langen GISP2-Bohrkerns gab es einige Messpunkte, die plötzlich viel mehr Methan anzeigten, als zu erwarten gewesen wäre.

Price und Kollegen vermuteten, dass diese Ausreißer in den uralten Eisschichten nicht auf Klimaschwankungen, sondern auf dort lebende Mikroben zurückgehen.

Und sie wurden fündig. Offenbar fristen in knapp 3.000 Metern Tiefe Kleinstlebewesen ein karges Dasein bei ewiger Kälte und Finsternis. "Psychrophile" nennt man diese Asketen unter den Mikroben, die bei einer Eistemperatur von minus zehn, zwanzig und weniger Grad überleben können.
Kaum Wachstum möglich
Sie tun das mittels eines Stoffwechsels, der aus CO2 und anderen Stoffen Energie gewinnt und als Abfallprodukt Methan zurücklässt, weswegen sie auch Methanbildner genannt werden.

Allerdings geht das unter diesen Bedingungen recht gemächlich vor sich: Die US-Geowissenschaftler berechneten, dass die Mikroben bei minus elf Grad 10.000 Jahre brauchen, um sämtliche Kohlenstoffatome in ihren Zellen durch neue zu ersetzen.

Mit so einer Stoffwechselrate kann man gerade die Löcher im biochemischen System stopfen, große Gewinne lassen sie nicht zu: Wie das Team um Price zeigte, verwenden die so genannten Archaebakterien den Großteil ihrer Energie, um Schäden an DNA und Aminosäuren zu beheben. Weswegen sie auch kaum wachsen können.
Woher kommt das Methan auf dem Mars?
Soweit die irdischen Aspekte der Studie. Price und Mitarbeiter verwendeten ihre Ergebnisse auch um die Frage zu klären, ob es auf dem Mars Leben geben könnte. Dieses Problem hat nämlich ebenfalls mit Methan zu tun.

Letztes Jahr zeigte ein internationales Forscherteam, dass von einer Milliarde Volumensteile der Marsatmosphäre immerhin zehn auf das Konto von Methan gehen (Science 306, 1758).

Das erscheint wenig, aber wenn das Gas auf anorganischem Weg entstanden sein soll, ist dieser Wert kaum zu erklären.
Erklärungen: Organisch oder anorganisch?
Der Grund dafür: Ein Methanmolekül überlebt in der Marsatmosphäre rund 340 Jahre, dann wird es durch die harte UV-Strahlung zerstört. Das bedeutet wiederum, dass die Atmosphäre des Roten Planeten jährlich 270 Tonnen Methan verliert (Icarus 172, 537).

Damit der Methangehalt konstant bleibt - was er offenbar ist - muss der Verlust ausgeglichen werden. Fragt sich nur: von wem? Eine Möglichkeit ist die Verbindung von Wasser und Kohlendioxid unter dem Einfluss von Magmatismus und hydrothermalen Schwankungen. Eine andere, die Anwesenheit von methanbildenden Mikroben.

Nur: Reicht im zweiten Fall überhaupt der Stoffwechsel von Archaebakterien aus, um solche Werte zu erreichen?
Leben auf dem Mars rechnerisch möglich
Price und Kollegen haben das nun durchgerechnet und sagen: Ja. Mikroben, wie sie nun in den Tiefen des Grönlandeises gefunden wurden, könnten unter den unwirtlichen Bedingungen am Mars durchaus leben.

Um die geforderten Methanwerte zu erreichen, müssten die Mikroben den gesamten Planeten bis in zehn Meter Tiefe bevölkern. Und zwar in einer durchaus realistisch erscheinenden Dichte: eine Zelle pro Milliliter.

[science.ORF.at, 6.12.05]
->   Eisbohrkern - Wikipedia
->   Methanbildner - Wikipedia
 
 
 
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01.01.2010