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Studie: Tabakindustrie beeinflusste viele Forscher  
  Die Tabakindustrie soll nach Darstellung einer internationalen Forschergruppe über Jahre hinweg mehr als 60 namhafte deutsche Wissenschaftler finanziert haben, um die Gefahren des Rauchens zu verschleiern.  
Das berichtet die Gruppe um Thilo Grüning vom Royal Free Hospital in London im "American Journal of Public Health". Der Verband der Cigarettenindustrie (vdc) in Berlin wies die Vorwürfe am Montag zurück.
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Die Studie "Tobacco Industry Influence on Science and Scientists" ist als Online-Vorabpublikation im "American Journal of Public Health" (DOI: 10.2105/AJPH.2005.062679) erschienen.
->   Abstract im "American Journal of Public Health"
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Forschungsgelder für "Abschwächungen"
Die Forscher um Grüning hatten zahlreiche interne Dokumente von Tabakfirmen analysiert, die nach einem Rechtsstreit im Internet veröffentlich werden mussten (siehe Link "Legacy Tobacco Documents Library").

Ihre Untersuchung wirft den deutschen Forschern und der Tabakindustrie vor, als Gegenleistung für Forschungsgelder und großzügige Honorare seien wissenschaftliche Erkenntnisse "unterdrückt", "abgeschwächt" und "manipuliert" worden.
->   Legacy Tobacco Documents Library
Tabakindustrie leugnet
vdc-Sprecherin Andrea Winkhardt sagte dazu am Montag auf Anfrage: "Der vdc hat zu keinem Zeitpunkt Ergebnisse vorgegeben oder die Veröffentlichung von "unliebsamen" Ergebnissen unterdrückt", dies gelte auch für den einstmals vom Verband finanzierten "Forschungsrat Rauch und Gesundheit".

Jeder Forscher, der mit dem Rat oder dem Verband zusammengearbeitet habe, habe seine Resultate frei publizieren können.
Krebsforschungszentrum setzt auf Ethik-Kodex
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg empfahl allen Gesundheitsforschern, kein Geld von der Tabakindustrie anzunehmen.

Ein entsprechender ethischer Codex sei am DKFZ bereits in Kraft. Dieses Verhalten empfehlen auch die Studienautoren.
35 Jahre "korrumpierbare" Forscher
"Die Tabakindustrie schafft es nicht allein, Verbraucher und Öffentlichkeit über die Folgen des Rauchens in die Irre zu führen", kommentierte die Leiterin des deutschen Kooperationszentrums für Tabakkontrolle der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Martina Pötschke-Langer vom DKFZ.

Daher bediene sich die Industrie seit rund 35 Jahren "korrumpierbarer" Forscher, um Gutachten in ihrem Sinne zu erstellen.
Jenseits aller Ethik
"Dabei ist es der Industrie offenbar gelungen, sich auch medizinische Meinungsbilder gewogen zu machen", meint Pötschke- Langer.

Einzelne Beispiele, die Grüning in seiner Untersuchung nennt, wollte sie nicht kommentieren: "Was hier verblüfft, ist die Breite des Konsenses und wer alles finanziert wurde." Dieses Verhalten sei jenseits aller Ethik eines Mediziners.

[science.ORF.at/APA/dpa, 6.12.05]
Mehr über das Thema in science.ORF.at:
->   Philip Morris verschwieg Studien über Rauchkonsum (12.11.04)
->   Datenmanipulation und Betrug in den Wissenschaften (3.6.03)
->   Archiv zum Thema Tabak
 
 
 
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01.01.2010