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Der nächste Tsunami ist nur eine Frage der Zeit  
  Der Blitz schlägt nie zwei Mal an derselben Stelle ein, heißt es, doch diese Volksweisheit zu Naturgewalten gilt Experten zufolge nicht für Tsunamis im Indischen Ozean. Es scheint kaum vorstellbar, doch das massive Seebeben von 9,3 auf der Richter-Skala und die darauf folgende Flutwelle, die am 26. Dezember 2004 an den Küsten des Indischen Ozeans mehr als 220.000 Menschen tötete, könnten sich wiederholen.  
Und das sogar schon bald, warnt Paul Tapponnier, Forscher am Pariser Institut für Planetare Physik (IPGP). "Es ist wie ein abgerissener Hemdknopf: Wenn er weg ist, geraten die anderen Knöpfe unter noch größeren Druck."
Erdbeben treten gehäuft auf
Erdbebenforscher sind in der Regel eher vorsichtig mit Vorhersagen. Ihre einhelligen Warnungen sind deshalb umso beunruhigender: Erdbeben treten nämlich gehäuft und in enger Folge auf, sagt Kerry Sieh vom Kalifornischen Technologie-Institut.

So hätten sich sieben von insgesamt zehn der schwersten Erdbeben des 20. Jahrhunderts zwischen 1950 und 1965 ereignet, fünf davon sogar in der gleichen Region am Nordrand des Pazifik. "Die Alarmglocken schrillen laut", sagt Tapponnier.
Tektonische Platten unter Druck
Warum das so ist, steht für diese Experten außer Zweifel: Eine schwere Erschütterung an der Erdkruste setzt die angrenzenden tektonischen Platten unter derartigen Druck, dass eine weitere geringe Erschütterung gewaltige Verwerfungen auslösen kann.

Das zerstörerische Beben vom 26. Dezember ereignete sich an einer Stelle unter dem Indischen Ozean, wo die Indische Platte sich unter die kleinere Birmanische Platte schiebt. "Ein winziger Auslöser reicht schon, um hier ein gewaltiges Beben hervorzurufen", sagt John McCloskey, Professor für Umweltwissenschaften an der Universität Ulster.
Geringfügiger Auslöser am 26. Dezember 2004
Eine nur geringe Druckschwankung war es McCloskey zufolge auch, die das Erdbeben vom 26. Dezember auslöste. Der Meeresgrund wölbte sich entlang einer 1.200 Kilometer langen Linie und warf 15 Meter hohe Wellen in Richtung Küsten.

Es wurde so viel Energie freigesetzt, dass sogar in Peru und Mexiko, 20.000 Kilometer vom Epizentrum entfernt, außergewöhnliche Wellen an den Strand schlugen. Der ganze Erdball bebte, noch Wochen später waren Vibrationen messbar.
Weiteres Beben drei Monate später
Dass dies nur der Anfang einer Reihe von Erdstößen gewesen sein könnte, wird durch ein weiteres Ereignis bekräftigt: Drei Monate nach dem ersten Beben ereignete sich am 28. März ein weiteres, nur 160 Kilometer weiter südlich und mit einer Stärke von 8,7 auf der Richter-Skala.

Vor diesen beiden Erschütterungen gab es das letzte Mal ein ernsthaftes Beben im Jahr 1861. Und schon haben Seismologen die nächste Stelle im Blick, an der der Druck zu heftig werden und in ein Beben umschlagen könnte.

Sie liegt weitere 500 bis 600 Kilometer südlich, unter den Mentawai Inseln. Dort ereignet sich etwa alle 230 Jahre ein Beben - und das jüngste rief im Jahr 1833 zehn Meter hohe Tsunami-Wellen hervor.
Wenig Vertrauen in Frühwarnsystem
Dabei trauen die Forscher auch den Frühwarnsystemen keine bedeutende Wirkung zu: Eine Flutwelle, die 200 Kilometer vor der Küste entsteht, bewegt sich mit 750 Stundenkilometern Geschwindigkeit voran - sie würde also innerhalb von 15 bis 20 Minuten die Strände erreichen.

Da können Menschenleben nur mit knapper Not und bei perfekt funktionierenden Warnsystemen gerettet werden. "Ein Beben der Stärke neun oder mehr im Süden der indonesischen Insel Sumatra wäre fürchterlich", sagt Tapponnier. "Wenn das erste längere Beben zu spüren ist, sollten die Menschen sich sofort in Sicherheit bringen."

Frederic Garlan und Richard Ingham, AFP, 21.12.05
->   Tsunami - Wikipedia
->   Das Stichwort Tsunami im sience.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010