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Hwang: Der Krimi hinter dem Forschungsbetrug  
  Spätestens mit dem Abschlussbericht der Nationaluniversität von Seoul ist nun eindeutig bewiesen: Der Genforscher Hwang Woo Suk hat niemals menschliche Stammzellen geklont und maßgeschneiderte Stammzellen hergestellt. Hinter dem vorläufigen Schlusspunkt eines riesigen Wissenschaftsbetrugs steckt ein echter Aufdecker-Krimi, an dem mutige koreanische Forscher und Journalisten mitgeschrieben haben.  
Nacherzählt wurde die Geschichte in der aktuellen Ausgabe von "Science" - jenem Journal, in dem Hwang seine beiden vermeintlich Bahn brechenden Studien publiziert hatte.

Vorwürfe waren zuletzt laut geworden, dass "Science" - aber auch andere Fachzeitschriften - bei der Jagd nach wissenschaftlichen Sensationsmeldungen die Seriosität ihres Peer-Review-Prozesses vernachlässigt hätten.
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Der Artikel "How young Korean researchers helped unearth a scandal ..." ist in "Science" (Bd. 311, S. 22; Ausgabe vom 6. Jänner 06) erschienen.
->   Science
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Es begann mit einem anonymen E-Mail
Die Studie von Hwang zur Klonung individueller Stammzellen von Patienten war Ende Mai erschienen. Nur wenige Tage später erhielt die Redaktion der investigativen TV-Sendung "PD Notebook" des südkoreanischen Senders MBC (Munhwa Broadcasting Corp.) ein anonymes E-Mail.

Ein Mitarbeiter Hwangs äußerte darin vorerst nicht näher definierte "ethische Bedenken" wegen der Arbeiten seines Chefs.

Der Informant ließ sich zu einem Interview überreden und berichtete dem Journalisten Hak Soo Han davon, dass Hwang Eizellen von Jungforscherinnen seiner Gruppe für seine Experimente verwendet hatte - ein verpöntes und unethisches Verhalten. Außerdem äußerte er erste Zweifel an der eben erschienenen Studie, hatte aber keine Beweise.
Zweifel der Journalisten
Laut "Science" wollte Hak Soo Han diese Information vorerst nicht so recht glauben - schließlich war Hwang Woo Suk in seiner Heimat hoch angesehen, die Medien bezeichneten ihn als "Stolz Koreas", der dabei war, die Medizin zu revolutionieren.

Da die Beweise zu den Eizell-Spenden aber überzeugend waren, entschloss er sich, auch den anderen Anschuldigungen nachzugehen. Dafür überredete er zwei weitere Kollegen Hwangs und drei unabhängige Forscher zur Mitarbeit.
Undercover-Interviews ...
Was danach folgte, war auch nach Eigenansicht kein Glanzstück von journalistischem Berufsethos: "PD Notebook" interviewte Co-Autoren der Studie unter dem Vorwand, eine Sendung über "Biotechnologie in Korea" zu produzieren.

Dabei stellte sich heraus, dass die Mehrheit die angegebenen Stammzell-Linien selbst nie zu Gesicht bekommen hatten. Außerdem berichteten die Forscher von einigen Ungenauigkeiten bei der Überprüfung der vermeintlich geklonten Stammzell-Linien.
... und unabhängige Untersuchungen
Schließlich erhielten die Journalisten die Probe von einer der Stammzell-Linien, die sie in einem unabhängigen Institut untersuchen ließen.

Das Ergebnis: Die Linie stammte nicht wie angegeben von Patienten, sondern von Embryonen, die am MizMedi-Spital in Seoul via In-vitro-Fertilisation gewonnen worden waren - exakt jenes Resultat, das nun auch im Abschlussbericht der Nationaluniversität steht.
Unsaubere Methoden der Reporter
Am MizMedi-Spital hatte ein Mitarbeiter Hwangs gearbeitet - Sun Jong Kim, der danach an die Universität von Pittsburgh zu Gerald Schatten (Ko-Autor der 2005-Studie) gewechselt war.

Die koreanischen Reporter filmten in den USA ein Interview mit Kim mit versteckter Kamera. Sie setzten ihn außerdem unter Druck, indem sie von ersten Untersuchungen durch koreanische Behörden erzählten, die es noch gar nicht gab.

Kim gab zu, dass sie Teile der Fotos gefälscht hatten, die zum Beweis der Stammzell-Linien dienen sollten.
TV-Sender musste sich entschuldigen
Danach ging alles Schlag auf Schlag. Schatten brach öffentlich mit Hwang und am 22. November des Vorjahres strahlte "PD Notebook" endlich einen Teil seiner Recherchen aus - nämlich jenen, der die Quelle der Eizellen betraf. Zwei Tage später gab Hwang öffentlich zu, dass sie von Mitarbeiterinnen stammten.

Der öffentliche Furor richtete sich aber vorerst nicht an Hwang, sondern an den Überbringer der schlechten Nachricht. Nachdem Sun Jong Kim die kreativen Interviewtechniken der Journalisten öffentlich gemacht hatte, zogen sämtliche zwölf Sponsoren von "PD Notebook" ihre Werbeeinschaltungen zurück.

Mindestens 20.000 Protest-Mails gingen ein, der Fernsehsender MBC entschuldigte sich für die Fehler seiner Mitarbeiter und sendete den Beitrag mit weiteren Anschuldigungen nicht.
Online-Plattform trieb Affäre weiter
 
Bild: K. Buckheit/Science

An dieser Stelle hätte auch das Ende der "Affäre Hwang" stehen können. Dass es dazu nicht kam, lag an einem anonymen Posting des Informationszentrums für Biologische Forschung (BRIC) vom 5. Dezember.

Darin wurden die User seiner Online-Diskussionsplattform aufgefordert, sich die Fotos der Stammzell-Linien noch einmal genauer anzuschauen. Genau dies geschah und die Fälschungen wurden entdeckt.

Im Bild oben zu sehen: Fotografien vermeintlich unterschiedlicher Stammzell-Linien, die tatsächlich nur verschiedene, überlappende Ausschnitte der selben Kolonie zeigten.
Staatsanwaltschaft ermittelt
Erst als sich diese Informationen begannen herumzusprechen, traute sich MBC am 15. Dezember, die Aussagen von Sun Jong Kim auszustrahlen. Daraufhin baten Hwang und Schatten "Science" ihre Studien zurückzuziehen und die Untersuchungskommission der Universität Seoul wurde eingesetzt - mit den bekannten Ergebnissen.

Mittlerweile hat sich die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Sie soll der Frage nachgehen, ob Hwangs Team bei der Verwendung von Fördergeldern oder bei der Beschaffung der Eizellspenden gegen Gesetze verstoßen habe.

Der vielleicht positive Schluss: Das BRIC-Diskussionsforum wird zunehmend reger genutzt und MBC deckt weiter auf.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at, 10.1.06
->   BRIC
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->   MizMedi-Spital
Der Skandal um den südkoreanischen "Klonpionier":
->   Hwang fälschte beide Stammzell-Studien komplett (10.1.06)
->   Eizellen-Spenden: Südkoreas Klon-Pionier tritt zurück (24.11.05)
Die Publikationen von Hwang:
->   Erstmals Hund geklont (3.8.05)
->   Erstmals Stammzellen von Kranken geklont (20.5.05)
->   Koreanische Forscher klonten menschlichen Embryo (12.2.04)
 
 
 
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01.01.2010