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Gräberfund widerlegt "Pharaonen-Propaganda"  
  Archäologen haben bei Untersuchungen agyptischer Gräber herausgefunden, dass Unterernährung zur Zeit Ramses II. durchaus verbreitet war. Was im krassen Widerspruch zu schriftlichen Quellen dieser Zeit steht.  
Diese berichten nämlich von Reichtum und Wohlstand der Bevölkerung, so die Wissenschafter des Instituts für Ägyptologie der Universität Wien und des Österreichischen Archäologischen Instituts in Kairo. Offenbar seien die untersten Bevölkerungsschichten zu dieser Zeit Repressionen ausgesetzt gewesen.
Grabungen im nordöstlichen Ägypten
Die österreichischen Archäologen führen seit 1966 Ausgrabungen im Gebiet der Stadt Tell el-Dab'a im nordöstlichen Nildelta durch. Dort lag zunächst Auaris, Hauptstadt der so genannten Hyksos (1640-1530 v. Chr.).

In der Zeit des so genannten Neuen Reiches (im 15. Jahrhundert v. Chr.) wurde der strategisch günstig gelegene Platz für die größte ägyptische Militär- und Marinebasis namens "Perunefer" genutzt. Zuletzt war die Siedlung als "Ramses-Stadt" und Residenz von Ramses II. bekannt.
Palastanlage und Friedhof entdeckt
Der Vorstand des Instituts für Ägyptologie, Manfred Bietak, und seine Mitarbeiter legen seit 2004 eine gewaltige Palastanlage aus der Zeit des Neuen Reiches frei, berichtet die Uni Wien in ihrem Forschungs-Newsletter.

Bei der jüngsten Grabung im Herbst 2005 fanden die Wissenschaftler auf dem rund zehn Quadratkilometer großen Areal einen Friedhof aus der Zeit Ramses II. aus dem 13. Jahrhundert vor Christus.
Bestattete nur 1,37 bis 1,45 Meter groß
Bild: Uni Wien
Rund 70 Menschen wurden dort teilweise in Tonsarkophagen, teilweise in Erde bestattet.Bei der Untersuchung der Skelette stellte sich heraus, dass die Frauen nur rund 1,37 bis 1,45 Meter groß waren, die Männer durchschnittlich zehn Zentimeter größer (siehe Bild rechts).

Erste Befunde von Anthropologen weisen darauf hin, dass Unterernährung bei diesen Menschen zu diesem Kleinwuchs geführt hat.
Widerspruch zu schriftlichen Quellen
Für Bietak ist das ein "Paradoxon": "Zeitgenössische Texte künden von der guten Versorgung und vom Prunk der Stadt. Es gibt sogar Aufzeichnungen, in denen der König für den Wohlstand der Bevölkerung gepriesen wird", wird der Ägyptologe in der Aussendung zitiert. Diese Propaganda konnte nun durch die objektivierbaren archäologischen Funde widerlegt werden.

Bietak geht davon aus, dass das pharaonische Ägypten die untersten Bevölkerungsschichten extrem kurz gehalten hat. Je stärker die Dynastie gewesen sei, umso heftiger seien die Repressionen gewesen. Schon bei früheren Ausgrabungen war der Forscher auf eine Siedlung gestoßen, wo man jeder Familie einen Lebensraum von nur 27 Quadratmetern zugeteilt hatte.

Die Skelette sollen nun weiter von Anthropologen untersucht werden. Die Wissenschaftler erhoffen sich davon weitere wertvolle Aussagen über die Lebensumstände dieser Menschen.

[science.ORF.at/APA, 13.1.06]
->   Forschungsnewsletter der Universität Wien
 
 
 
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01.01.2010