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Gen schützt vor HIV, begünstigt aber West-Nil-Virus  
  Ein bestimmtes Gen beeinflusst maßgeblich die Ausbreitung des HI-Virus in den Zellen: Wem das zugehörige Protein mutationsbedingt fehlt, ist resistenter gegen den AIDS-Erreger. Laut US-Forschern gibt es aber auch eine Kehrseite der Medaille: Die gleichen Menschen sind eher gefährdet, sich mit dem West-Nil-Virus anzustecken.  
Daher müssten die so genannten CCR5-Blocker - Substanzen, die am Rezeptor CCR5 binden und eine Fusion von HIV mit Zellen des Immunsystems hemmen - bei HIV-positiven Patienten mit Vorsicht eingesetzt werden.

Patienten sollten sich auf jeden Fall vor Moskitos hüten - den potenziellen Überträgern des West-Nil-Virus -, warnt das Team um Philip M. Murphy des National Institute of Allergy and Infectious Diseases.
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Der Artikel "CCR5 deficiency increases risk of symptomatic West Nile virus infection" erschien online im "Journal of Experimental Medicine" (17. Jänner 2006, DOI: 10.1084/jem.20051970).
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CCR5 verschafft HIV Zugang zu Zellen
Das HI-Virus verschafft sich über so genannte Andockproteine Zugang zu den Körperzellen. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Ko-Rezeptor CCR5 auf der Zellmembran, der in großem Maße das Eindringen des HI-Virus in die Zellen des Immunsystems und somit auch seine Ausbreitung beeinflusst.

Es gibt allerdings Individuen, bei denen eine Mutation des Rezeptors CCR5 vorliegt. Diese führt zu einem Rezeptor, der nicht an der Zelloberfläche von HIV exprimiert wird.
Doppelte Mutation schützt vor HIV-Infektion
Der Mensch besitzt zwei Kopien des Gens, das für CCR5 kodiert. Homozygote Menschen haben zwei normale oder zwei mutierte Gene, heterozygote dagegen ein mutiertes und ein normales Gen. Bisherige Untersuchungen stützten die Annahme, dass eine doppelte Mutation des Rezeptors CCR5 gegen eine HIV-Infektion schützt.

Die Entdeckung, dass CCR5 eine Schlüsselrolle bei der Infektion von Zellen mit HIV spielt, legte den Grundstein für die Entwicklung so genannter CCR5-Blocker, also Medikamenten, die die Ausbreitung des HIV von Zelle zu Zelle verlangsamen. Erste Tests mit der Verabreichung von oralen CCR5-Antagonisten zeigten bereits ihre Wirkung.

Doppelte Mutation ist allerdings eher die Ausnahme: Die meisten Menschen besitzen zwei normale Kopien des Gens, das das CCR5-Protein kodiert. Laut Murphy und seinen Kollegen weisen nur rund ein Prozent der weißen Bevölkerung Nordamerikas eine Mutation in beiden Genen auf, sind demnach homozygot und produzieren kein CCR5.
Ein Link zum West-Nil-Virus
Waren bisher keine durch das Fehlen von CCR5 ausgelösten "Nebenwirkungen" bekannt, so entdeckten Murphy und sein Team nun einen Link zu einer erhöhten Ansteckungsgefahr mit dem West-Nil-Virus.

"Das ist der erste genetische Risikofaktor, der mit einer Infektion mit dem West-Nil-Virus in Verbindung gebracht werden kann", sagt der Direktor des National Institute of Health Elias Zerhouni.

Laut den Centers for Disease Control and Prevention starben in den Vereinigten Staaten im Jahr 2005 insgesamt 102 Menschen an einer Infektion mit dem West-Nil-Virus.
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Das West-Nil-Virus
Das West-Nil-Virus tritt vor allem im Nahen Osten, Afrika und Teilen Süd- und Südostasiens auf. In Europa und den USA wird eher von Einzelfällen berichtet. US-Forscher melden jüngst einen möglichen Erfolg gegen den Erreger, der besonders Fieber, Muskelschmerzen, Lymphknotenschwellung verursacht: Sie fanden heraus, dass die Virusvermehrung durch die Hemmung eines bestimmten Enzyms gestoppt werden könnte.
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Experimente an Mäusen legten Spur
Im Jahr 2005 testete Murphy an Mäusen, welche Rolle verschiedene Zellen des Immunsystems bei einer Infektion mit dem West-Nil-Virus spielen. Die meisten Mäuse überlebten zwar den Virus, diejenigen, denen CCR5 fehlte, litten am schwersten an der Infektion.

Weitere Untersuchungen zeigten, dass CCR5 die Bewegung von mehreren Klassen von Zellen des Immunsystems ins Gehirn und zentrale Nervensystem förderte und so die "normalen" Mäuse vor einer Gehirnentzündung schützte, die oftmals mit einer ernsten West-Nil-Virus-Infektion einher geht.
Menschliche Blutproben getestet
So untersuchten die Forscher Proben von menschlichem Blut und Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit von 417 Fällen, die in Arizona und Colorado in den Jahren 2003 und 2004 aufgetreten waren - allesamt mit Viren des West-Nil-Virus (WNV) infiziert. Davon eigneten sich 395 Proben für genetische Tests, um die Ausprägung einer HIV-schützenden Mutation zu überprüfen.

Laut der Studie hatten 4,5 Prozent von 247 WNV-positiven Proben aus Arizona eine doppelte CCR5-Mutation. Zur Kontrolle: Von 145 WNV-negativen Blutproben zeigten nur 0,7 Prozent der Individuen zwei Kopien der CCR5-Mutation - korrespondierend mit der erwarteten 0,8 bis 1 Prozent, die in allen nordamerikanischen Weißen zu finden ist.

Auch die Analyse der WNV-positiven Proben aus Colorado ergab, dass 4,1 Prozent (von 148 Proben) eine doppelte Gen-Mutation aufwiesen.
Moskito-Schutz wichtig
Murphy und sein Team gehen daher davon aus, das eine Abwesenheit von normalen CCR5-Genen einen genetischen Risikofaktor für die Ansteckung mit dem West-Nil-Virus darstellt.

Die Ergebnisse seien für Ärzte bedeutend, die HIV-positive Patienten mit CCR5-Blockern behandeln würden: Moskitos - den Überträgern des Virus auf Menschen - sollten sich diese besser nicht extrem aussetzen.

[science.ORF.at, 17.1.06]
->   National Institute of Allergy and Infectious Diseases
->   National Institute of Health
->   Centers for Disease Control and Prevention
 
 
 
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01.01.2010