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Philosophie an der Grazer Uni-Klinik  
  Philosophie in der Medizin: Im Rahmen eines Forschungsprojekts diskutiert eine Philosophin mit Patienten und Personal Fragen nach Sinn und Bedeutung von Krankheit an der Grazer Uni-Klinik.  
"Die Medizin begegnet den Menschen über Werte, z.B. Blutdruck, Harn- oder Leberwerte. Warum man krank geworden ist oder was die Krankheit bedeuten könnte - das wird nicht hinterfragt", so die Grazer Schriftstellerin und Philosophin Monika Wogrolly-Domej.

Seit November des Vorjahres arbeitet die 39-Jährige als "klinische Philosophin" in Abteilungen des Grazer Uni-Klinikums - und versucht entsprechende Sinnfragen mit den Patienten zu klären.
Philosophie fragt nach dem Grund für Krankheiten
Die Schulmedizin betrachtet eine Krankheit getrennt vom Patienten und definiert sie als eine Störung, die repariert werden muss.

Die Philosophie in der Medizin löse die Krankheit nicht vom Menschen, so Wogrolly-Domej. Sie sucht nach einem ganzheitlichen Ansatz und fragt nach dem Grund. "Wenn ich mich frage, warum ich krank geworden bin, ist das der erste Schritt zur Genesung", so die 39-jährige Grazerin.
Forschungsprojekt "Philosophie in der Medizin"
Im Rahmen eines Forschungsprojekts "Philosophie in der Medizin" ist sie als erste klinische Philosophin in Österreich für ein Jahr an der Grazer Universitätsklinik für Medizinische Psychologie und Psychotherapie (Leitung: Walter Pieringer) tätig.

Finanziert wird das Projekt mit rund 20.000 Euro durch eine Förderung des Landes Steiermark.
"Mensch ist mehr als eine Niere"
"Durch die Alltagsroutine fehlt dem medizinischen Personal Zeit für Gespräche, die über das gewöhnliche 'Hatten Sie Stuhlgang?' hinausgehen", erklärt die Grazer Wissenschafterin.

"Ein Philosoph erinnert uns daran, dass der Mensch mehr ist als eine Niere", ergänzt Herwig Holzer, Leiter der Klinischen Abteilung für Nephrologie und Hämodialyse.

Man würde zu einer "gesamtheitlichen Begegnung" mit dem Patienten angeregt. Durch die Anwesenheit einer Philosophin würde eine kranke Niere zwar nicht gesund, aber sie helfe dem Patienten bei der Akzeptanz der Krankheit. Neben der Nieren-Klinik konsultiert Wogrolly auch die Klinische Abteilung für Kardiologie.
Ziel: Zur Klärung von Lebensfragen beizutragen
Wogrolly will in Gesprächen mit Patienten und Personal philosophische Fragen diskutieren, die sich den Betroffenen auf den Stationen stellen. Ihre Aufgabe sei nicht zu therapieren, sondern zur Klärung von Lebensfragen beizutragen, so die klinische Philosophin.

Beobachtend ohne sich aufzudrängen, möglichst vorurteilslos wolle sie sich den Menschen annähern. "Ich stelle ein Gesprächsangebot, wer nicht mit mir reden will, muss nicht", so Wogrolly.
Pilotstudie für größeres Forschungsprojekt
Die Studie soll philosophische Grundlagen über mögliche Sinn- und Bedeutungsaspekte schwerer Erkrankungen erheben und als Pilotstudie für ein größeres, internationales Forschungsprojekt im Rahmen der Subjektivitätsforschung dienen.

Als Vorbild für die Tätigkeit an der Klinik agierte der Berliner Philosoph Wilhelm Schmid, der bereits vor einigen Jahren in der Schweiz als erster "philosophischer Seelsorger" tätig wurde.

[science.ORF.at/APA, 20.1.06]
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01.01.2010