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Neue Peer Reviews sollen Fehler minimieren  
  "Biology Direct" heißt ein neues Open-Access-Online-Magazin, das kostenlos allen Interessierten offen steht. Auch ein neues Bewertungssystem für wissenschaftliche Arbeiten wurde eingerichtet. Die Gutachter jeder Arbeit werden am Ende jedes Artikels namentlich genannt, wohingegen der etablierte Gutachtensprozess anonym verläuft. Damit sollen Fehler - wie zuletzt beim Skandal um den südkoreanischen Klonforscher Hwang - minimiert werden.  
Außerdem soll jeder Autor die Mitglieder des Direct Editorial Boards von "Biology Direct" kontaktieren und um ein Gutachten für seine Arbeit ersuchen können. Auch das war bisher nicht möglich.
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Herausgegeben wird Biology Direct von Biomed Central, einem unabhängigen Verlagshaus, das sich auf die Herausgabe von Open-Access-Online-Magazinen spezialisiert hat. Biomed Central gibt mittlerweile 130 wissenschaftliche Journals heraus, alle publizierten Arbeiten sind "open access", das heißt, für alle Interessierten über das Internet kostenlos zugänglich.
->   Biology Direct
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Bisher anonyme Peer Reviews
Die Gründer von Biology Direct wollen Probleme, die immer wieder durch den im Wissenschaftsbetrieb üblichen anonymen Peer-Review-Prozess auftreten, minimieren.

"Wissenschaftliche Veröffentlichungen funktionieren ohne Peer-Review-System nicht", sagte einer der Gründer des Online-Magazins, David J. Lipman, Leiter des National Center Biotechnology Information (NCBI), einer Abteilung der National Library of Medicine, USA anlässlich des Starts von Biology Direct.

"Allerdings führt die anonyme Begutachtung wissenschaftlicher Arbeiten immer wieder zu Fehlern, die so weit reichend sind, dass sie ohne radikale Kursumkehr nicht mehr korrigiert werden können."
Fälschungen a la Hwang vermeiden
Lipman und seine Mitherausgeber Eugene V. Koonin, Senior Investigator am NCBI, und Laura Landweber, Assistenzprofessorin an der Princeton University, wollen mit einem offenen Peer-Review-System Fehler, wie sie etwa im Fall des südkoreanischen Stammzellforschers Hwang Woo Suk, aufgetreten waren, vermeiden.

Die Arbeiten von Hwang Woo Suk waren in "Science", einem der international renommiertesten wissenschaftlichen Journals, nach dem üblichen anonymen Peer-Review-Verfahren begutachtet und beurteilt worden waren.

Im Nachhinein stellte sich heraus, dass der Forscher seine Arbeiten größtenteils gefälscht hatte. Bemerkt hatte das keiner der Gutachter.
->   Hwang: Der Krimi hinter dem Forschungsbetrug (10.1.06)
Keine Angst vor Racheakten
Das liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit am Peer-Review-System selbst, bei dem anonyme Gutachter, die von den Redakteuren der wissenschaftlichen Journals aus einem Board of Reviewers ausgewählt werden, eine eingereichte wissenschaftliche Arbeit zu prüfen haben.

Autor und Gutachter treten dabei nicht in Kontakt. Eingeführt wurde dieses anonyme System, um "Racheakte" an Gutachtern zu verhindern, wenn sie die Arbeit eines Wissenschaftlers ablehnen.
Neuer Zugang: Peer-Reviewer auswählen
Die Herausgeber von Biology Direct beschreiten nun einen radikal anderen Weg: Sie ermöglichen jedem Autor, direkt an drei Mitglieder des Editorial Board heranzutreten und um die Begutachtung seiner Arbeit zu ersuchen.

"Das hat den Vorteil, dass der Autor Gutachter wählen kann, die seine Arbeit auch verstehen", erläuterte Laura Landweber anlässlich des Starts von Biology Direct, "denn in vielen neuen Forschungsgebieten der Biologie ist es schwierig, einen fachkundigen Reviewer zu finden, was immer wieder Probleme im üblichen Peer-Review-Verfahren macht."
Intensive Diskussionen gewünscht
Das von Lipman, Koonin und Landweber für Biology Direct eingeführte Peer-Review-Verfahren bietet den Autoren eingereichter Arbeiten zudem die Möglichkeit, vom Gutachter angesprochene Unklarheiten direkt zu diskutieren und ihr Manuskript nach den Vorschlägen des Reviewers so viel oder so wenig zu korrigieren, wie die Autoren selbst das wünschen.

Die Arbeiten können auch unbearbeitet publiziert werden, die Gutachter erhalten dann allerdings die Möglichkeit, ihren Kritikpunkten in den publizierten Arbeiten Ausdruck zu verleihen.

Das Anliegen der Herausgeber ist es, interessante, informative und vollständige wissenschaftliche Arbeiten zu veröffentlichen.
Latte hoch gelegt
Im ersten Editorial von Biology Direct schreiben die Herausgeber: "Unser Ziel ist es ein neues, möglicherweise besseres Peer-Review-System zu etablieren und damit den wissenschaftlichen Diskussionsprozess zu unterstützen."

Erste Reaktionen auf das neue Online-Magazin waren durchwegs positiv und das "Editorial Board for Genomics, Bioinformatics and Systems Biology" konnte viele der Top-Forscher aus diesen Gebieten für sich gewinnen.
Missverständnisse rasch klären
Etienne Joly von INSERM in Toulouse, Frankreich, einer der ersten Autoren für Biology Direct und Mitglied des Editorial Boards, zeigte sich begeistert vom offenen Review-Prozess:

"Die Erfahrung mit diesem Verfahren war interessant und konstruktiv für mich. Durch die direkte Interaktion mit meinen Gutachtern war es einfach, die von ihnen genannten Kritikpunkte zu verstehen."

Auch Missverständnisse konnten, so Joly weiter, rasch und einfach ausgeräumt werden.
Zugang für alle
Biology Direct startete mit der Veröffentlichung von Arbeiten aus den wissenschaftlichen Gebieten Systembiologie, Computational Biologie und Evolutionsbiologie. Bald sollen auch Arbeiten über Immunologie dazu kommen.

Veröffentlicht werden Originalarbeiten, Hypothesen und Reviews. Im Endausbau sollen alle wissenschaftlichen Bereiche der Biologie abgedeckt werden.

Sabine Fisch, Ö1 Wissenschaft, 6.2.06
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01.01.2010