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ORF ON Science :  News :  Umwelt und Klima 
 
Künstliche Eisschollen für ein gemäßigtes Klima  
  Als Nebeneffekt der globalen Klimaerwärmung könnte Europa vereisen. US-Forscher berichten nun von einer innovativen Problemlösung: Tausende Frachtschiffe, die künstlich Eisschollen herstellen und so den Wärme spendenden Nordatlantikstrom in Bewegung halten.  
Peter Flynn, Vorsitzender der Fakultät für Maschinenbau der Universität Alberta in Kanada, untersuchte unterschiedliche Methoden, um der eisigen Bedrohung Europas Einhalt zu gebieten.

Die Ergebnisse samt "kostengünstiger" Lösung wurden kürzlich im Fachjournal "Climatic Change" veröffentlicht.
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->   Climatic Change
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Bewegtes Gewässer
"Strömungen können als Förderbänder des Ozeans betrachtet werden", so Flynn. So auch der Nordatlantikstrom: Arktisch kaltes Wasser strömt dabei am Meeresgrund in Richtung Süden.

Gleichzeitig fließt in oberen Schichten tropisch warmes Wasser in den Norden, um das entstandene Vakuum zu füllen.
Europas Heizung
Der Nordatlantikstrom sichert auf diese Weise ein mildes Klima in Nordeuropa. Eine zu starke und zu rasche Erderwärmung könnte diesen Strom ausschalten.

Dieses seit längerem bekannte Phänomen haben englische Forscher der Universität Southampton vor kurzem detailliert in "Nature" beschrieben.
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Ihre Studie "Slowing of the Atlantic meridional overturning circulation at 25° N" veröffentlichten sie in "Nature" vom 1.12.2005 (Bd. 438; Seite 655).
->   Nature
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8.000 Frachtschiffe
Flynn untersuchte insgesamt sieben unterschiedliche Methoden, die den Nordatlantikstrom in Bewegung halten könnten. Eine davon erwies sich als die "günstigste" Lösung von allen:

Die Vision: Mit künstlicher Treibeisbildung und den daraus resultierenden kalten Wassermengen den Nordatlantikstrom in seiner derzeitigen Bewegung zu fördern. Über 8.000 Frachtschiffe würden für dieses Unterfangen benötigt.
Künstlicher Zyklus
Im Herbst sollen diese die Treibeisbildung initiieren bzw. beschleunigen. Der verwegene Plan: Wasser wird in die Luft gesprüht, sodass dieses gefriert. Auf die entstandenen Eisflächen pumpen die Schiffe Meerwasser, wobei das Eis eine Dicke von bis zu sieben Metern erreicht und Salz eingeschlossen wird.

Im Frühling danach wird weiter Wasser über das Eis gepumpt. Durch sein Schmelzen entstehen ungeheure Massen von kaltem, salzigem Wasser. Das kalte Wasser sinkt ab und fügt sich in den Nordatlantikstrom ein, so die Theorie.
50-Milliarden-Dollar-Projekt
Rund 50 Milliarden US-Dollar würde die Realisierung des Projekts kosten. Anfangs sei er von der Zahl schockiert gewesen, meint Flynn.

"Doch nehmen wir an, es leben 100 Millionen Menschen in Europa, die von diesem Strom betroffen sind. Das würde 500 Dollar pro Kopf ausmachen" - kein komplett übertriebener Preis, "wenn die Gletscher bereits an die Hintertür klopfen."
Ursachen statt Symptome bekämpfen
Dennoch hält auch Flynn sein Vorhaben nicht für die erste Wahl, da einerseits die Risiken unvorhersehbar seien und er andererseits der Meinung ist, dass der beste Weg noch immer Ursachen- und nicht Symptombekämpfung sei.

"Wenn jedoch jegliche Bemühungen, den CO2-Gehalt der Atmosphäre zu kontrollieren, versagen und eine Krisensituation eintritt, können wir diesen Notfallplan in Erwägung ziehen."

[science.ORF.at, 8.2.06]
->   Peter Flynn
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01.01.2010