News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Wissen und Bildung 
 
Elite-Uni: Brief von Wittgenstein-Preisträgern  
  Die Wittgenstein-Preisträger appellieren in einem Brief an Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (ÖVP), die Entscheidungen zur geplanten Elite-Universität noch einmal zu überdenken.  
"Die Entwicklung dieses als Exzellenz-Zentrum geplanten Instituts nimmt einen ausgesprochen unglücklichen Verlauf", heißt es in dem am Freitag veröffentlichten Brief des Wittgenstein-Clubs an die Ministerin.

In der Vereinigung haben sich die 18 Laureaten der seit 1996 verliehenen höchsten Wissenschafts-Auszeichnung Österreichs zusammengeschlossen.
Wissenschaftliche Kriterien sollen zählen
Namens des Wittgenstein-Clubs verweist dessen Sprecher Walter Schachermayer, Finanzmathematiker an der Technischen Universität Wien, in dem Schreiben auf das Konzept der wissenschaftlichen Proponenten des Projekts, darunter Anton Zeilinger, die auf Grund der Standortentscheidung der Regierung für Maria Gugging (NÖ) zurückgetreten sind.

Dessen Kernpunkt sei gewesen, dass inhaltliche Entscheidungen in einem solchen Institut ausschließlich auf Grund wissenschaftlicher Kriterien getroffen würden, unabhängig vom Kräfte-Parallelogramm der österreichischen Politik.

"Der Eklat rund um die Entscheidung für den Standort Maria Gugging und das Ausscheiden der wissenschaftlichen Proponenten zeigen aber deutlich, dass die Dinge sich in eine andere Richtung bewegen", heißt es in dem Brief.
Vorgangsweise lässt "nichts Gutes erwarten"
Für die zukünftigen Entscheidungen über das Institut lasse die Vorgangsweise rund um die Standortwahl "nichts Gutes erwarten". Als Beispiel werden wichtige Personal-Entscheidungen, etwa jene für den Gründungsrektor, genannt.

"In all diesen Prozessen steckt viel Risiko, das sich nur durch optimale Voraussetzungen in verantwortbarer Weise minimieren lässt. Aber gemäß dem ursprünglichen Plan gäbe es eine reale Chance, tatsächlich ein Spitzen-Institut auf die Beine zu stellen", meint der Club.

"Nachdem aber inzwischen so viel Porzellan zerschlagen wurde, steht zu befürchten, dass die Dinge einen ganz anderen Lauf nehmen. Es wäre unverantwortlich, wenn eine Investition in die Wissenschaft in der Größenordnung von einer halben Milliarde Euro sehenden Auges auf einen sub-optimalen Weg geführt wird."
Nicht auf gefassten Beschlüssen beharren
Daher appellieren die Wittgenstein-Preisträger "dringend" an alle Entscheidungsträger, nicht auf den gefassten Beschlüssen zu beharren.

"Gegen den einhelligen Widerstand der aktiven WissenschafterInnen dieses Projekt erzwingen zu wollen kann zu keinen guten Ergebnissen führen."

Grundsätzlich sei der politische Wille für wissenschaftliche Exzellenz sehr zu begrüßen, "aber bitte heraus aus dieser Sackgasse, um die notwendigen Strukturen für ganz Österreich im Konsens zu schaffen", heißt es in dem Brief.
Auswahl: "Ohne jede Vermischung mit lokalen Interessen"
Es sei klar gewesen, dass die Gründung einer erfolgreichen Exzellenz-Institution ein schwieriger und risikoreicher Versuch sein würde. Eine notwendige Voraussetzung dafür sei immer gewesen, "dass die Politik weise genug ist, die Entscheidungen von Seiten der Wissenschaft zu unterstützen und nicht zu konterkarieren".

Auch wenn es vielleicht naiv gewesen sei, darauf zu hoffen, dass die politischen Entscheidungsträger in nobler Zurückhaltung freiwillig auf die Ausübung von Macht verzichten würden", macht die Spitzenforscher ein Blick über die Grenzen hoffnungsvoll.

So würden in Deutschland die geplanten Exzellenzzentren von Gremien ausgewählt, die mit internationalen Wissenschaftern besetzt seien, "ohne jede Vermischung mit lokalen Interessen". Als Beispiel dafür, dass es auch in Österreich funktionieren könne, nennen sie die Wittgenstein- und Start-Preise, deren Träger von einer hochkarätigen internationalen Jury ausgewählt werden, der kein in Österreich tätiges Mitglied angehört.

[science.ORF.at/APA, 17.2.06]
...
Mitglieder des Wittgenstein-Clubs
Mitglieder des Clubs sind die bisherigen Preisträger: Sprachwissenschaftlerin Ruth Wodak und Molekularbiologe Erwin Wagner (beide Wittgenstein-Preis 1996), der Physiker Erich Gornik, die Pflanzengenetiker Antonius und Marjori Matzke (1997), der Informatiker Georg Gottlob, der Mathematiker Walter Schachermayer und der Physiker Peter Zoller (1998), der Molekularbiologe Kim Ashley Nasmyth (1999), der Sozialanthropologe Andre Gingrich und der Mathematiker Peter Markowich (2000), die beiden Zellforscher Meinrad Busslinger und Heribert Hirt (2001), der Physiker Ferenc Krausz (2002), die Molekularbiologin Renée Schroeder (2003), der Mittelalterforscher Walter Pohl (2004) sowie der Neurobiologe Barry Dickson und der Quantenphysiker Rudolf Grimm (2005).
->   Wittgenstein-Club
...
->   Alle Beiträge zum Stichwort Elite-Uni in science.ORF.at
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Wissen und Bildung 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010