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Wie lange leben Positronium-Ionen?  
  Das Positronium-Ion ist das einfachste geladene "Atom", bestehend aus zwei Elektronen und einem Positron. Deutsche Forscher haben nun die Lebensdauer der exotischen Ionen untersucht: Sie beträgt eine halbe Nanosekunde.  
Nach Bruchteilen von Milliardstel Sekunden zerfällt diese exotische Konfiguration zu Licht, berichten Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg.

Die bisher genaueste Bestimmung der Lebenszeit von Positronium-Ionen soll zu einem besseren Verständnis von Mehrkörpersystemen in der Quantenmechanik beitragen.
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Die Studie "Measurement of the decay rate of the negative ion of positronium" wurde im Fachjournal "Physical Review Letters" (13.2.06, Bd.96, 063401; doi:10.1103/PhysRevLett.96.063401) veröffentlicht.
->   Abstract der Studie
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Positronium: Exote unter den Atomen
Alle chemischen Elemente der Natur sind nach demselben Prinzip aufgebaut: Im Atomkern befinden sich Protonen und Neutronen, umgeben von Hüllen aus Elektronen.

Anders etwa das exotische Positronium: Es besteht aus einem Elektron und dessen Antiteilchen, dem Positron, das - bis auf die entgegengesetzte elektrische Ladung - genau die gleichen Eigenschaften hat wie das Elektron.

Kommen sich Positron und Elektron zu nahe, dann vernichten sie sich blitzartig. Die gesamte Ruhemasse des Positroniums wird dabei in Gammastrahlung umgewandelt. Weil Positronium-Atome deshalb nur wenige Bruchteile von Milliardstel Sekunden (Nanosekunden) existieren, kommen sie in der Natur praktisch nicht vor.
Anziehung nur durch schwache Wechselwirkung
Allerdings sind Positronium-Atome physikalisch recht einfach zu beschreiben, so die Wissenschaftler: Es handelt sich um ein System aus zwei praktisch identischen und punktförmigen Teilchen, die sich gegenseitig mit nur einer einzigen Kraft - der "elektroschwachen Wechselwirkung" - anziehen.

In "gewöhnlichen" Atomen aus Neutronen, Protonen und Elektronen verkomplizieren dagegen die räumliche Ausdehnung der Kerne und die zusätzliche starke Wechselwirkung die Rechnung.
Kompliziertes Dreikörpersystem
Spannend werde die Angelegenheit indes, wenn man dem Positronium-Atom ein weiteres Elektron hinzufügt, so die Physiker der Max-Planck-Gesellschaft.

In solchen negativ geladenen Atomen (Ionen) wechselwirken dann drei Teilchen miteinander. Die Herausforderung entstehe dadurch, dass sich die Eigenschaften von Dreikörpersystemen nur noch näherungsweise berechnen lassen.

Dennoch halten die Wissenschaftler das Positronium-Ion aufgrund seiner Einfachheit für ein interessantes Modellsystem der Quantenmechanik. Allerdings fehlen bislang experimentelle Daten, um die in der Theorie verwendeten Näherungsverfahren zu testen.
Lebensdauer: Halbe Nanosekunde
Als Auftakt eines Projekts zur Untersuchung des Positronium-Ions haben Heidelberger Forscher daher nun die Lebensdauer der Exoten sechs Mal genauer bestimmt, als es bislang möglich war.

Das Ergebnis: Positronium-Ionen leben im Schnitt knapp eine halbe Nanosekunde (0,4787 ns). Dies stehe in guter Übereinstimmung mit dem berechneten Wert.
Acht Monate lange, indirekte Messung
Für die Messung, die insgesamt acht Monate dauerte, schossen die Forscher Positronen durch eine extrem dünne Kohlenstofffolie. Etwa jedes zehntausendste Positron fängt dabei zwei Elektronen ein und bildet ein Positronium-Ion.

Da deren Lebensdauer für eine direkte Messung zu kurz ist, wurde sie indirekt bestimmt: Die Ionen wurden in einem elektrischen Feld auf eine Geschwindigkeit von einigen Prozent der Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und über eine sehr präzise verstellbare Flugstrecke geschickt.

Mit einem geeigneten Nachweisverfahren zählten die Wissenschaftler die am anderen Ende ankommenden Positronium-Ionen, und konnten dadurch die Lebensdauer ermitteln.

[science.ORF.at/MPG, 21.2.06]
->   Max-Planck-Gesellschaft
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01.01.2010