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Börsencrash: Aktienkurse erinnern an Erdbeben  
  In der Zeit vor und nach einem Börsencrash sind die Schwankungen von Aktienkursen offenbar mit Naturphänomenen vergleichbar - etwa mit den Mustern bei Herzschlag- und Erdbebenmessungen.  
Physiker der Tokyo University kamen zu dieser Erkenntnis auf Grund einer langfristigen Beobachtung des S&P-500-Index von Standard & Poor. Dieser Aktienindex umfasst die 500 größten US-amerikanischen Unternehmen, die an der Börse notiert sind.
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Die Studie "Criticality and Phase Transition in Stock-Price Fluctuations" ist im Fachjournal "The Physical Review Letters" (13.2.06, Bd. 96, 068701; doi:10.1103/PhysRevLett.96.068701) erschienen.
->   Abstract der Studie
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Im Normalfall: Glockenkurve
Die Physiker konzentrierten sich dabei auf kleine Kursschwankungen bei langfristigen Trends. Diese Ausschläge - nach oben wie unten - fallen üblicherweise unter die Gauß'sche Normalverteilung, zumindest wenn der Beobachtungszeitraum länger als ein Tag sei, so die Wissenschaftler.

Das bedeutet, dass die Schwankungen meist von eher geringem Ausmaß sind. Große Abweichungen kommen dagegen seltener vor - wie der Gauß'schen Glockenkurve abzulesen ist.
Börsencrash: Selbstähnliche Kurven
Ein anderes Muster aber fanden die Wissenschaftler in dem zweimonatigen Zeitrahmen rund um die großen Börsencrashs. So auch beispielsweise um den 19. Oktober 1987, dem so genannten "Black Monday", als die Aktienkurse des Dow Jones abgestürzt waren.

In diesem Zeitraum traten Schwankungen in unterschiedlichem Ausmaß mit gleicher Wahrscheinlichkeit auf. Der Kurvenverlauf war statistisch betrachtet jenen Graphen ähnlich, die für einen anderen Zeitraum von vier Minuten bis zwei Wochen aufgezeichnet wurden. Die Kurve war also selbstähnlich, wie die Forscher in ihrer Studie schreiben.

Ein solches Kurvenverhalten wird als kritisch bezeichnet - in Analogie zu ferromagnetischen Metallen bei der so genannten kritischen Temperatur.
->   Ferromagnetismus (Wikipedia)
Parallelen zu Naturphänomenen
Eine solche Selbstähnlichkeit findet man auch bei Zeitintervallen zwischen Herzschlägen oder Erdbeben, so die Forscher.

Mathematisch betrachtet unterscheide sich das Börsenmuster von denen der Naturerscheinungen darin, dass die Wahrscheinlichkeiten sich nicht aufgrund der Größe des Ereignisses verändert. In anderen Fällen hingegen würden diese exponentiell anwachsen.
Frühwarnsystem bleibt fragwürdig
Noch sei nicht klar, welche individuellen Entscheidungen den Aktienmarkt in einen kritischen Zustand bringen, meint Zbigniew Struzik, Co-Autor der Studie. Auch sei ungewiss, ob durch diese Erkenntnisse eines Tages eine Art Frühwarnsystem für Börsencrashs entwickelt werden kann.

Zudem wisse man noch wenig über die möglichen Auswirkungen: Ein solches System "könnte einen Börsencrash kompensieren, neutralisieren oder schlimmer machen", meint Struzik, "oder einen verursachen, indem es Panik auslöst".

[science.ORF.at, 22.2.06]
->   Liste der S&P 500 Unternehmen (Wikipedia)
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Rechenmodell sagt Börsenschwankungen voraus (16.10.03)
->   Die Ruhe vor dem Sturm (25.5.01)
 
 
 
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01.01.2010