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Warum die Natur bisweilen Links bevorzugt  
  Seit langem rätseln Forscher über die Vorliebe der Natur für Moleküle mit "Linksdrall". So finden sich in lebenden Systemen stets so genannte linksdrehende Aminosäuren. Das soll nun an Eigenschaften des Wassers sowie der schwachen Kernkraft liegen.  
Der "Linksdrall" bei den Aminosäuren versetzte Forscher bisher ins Staunen, da die rechtsdrehenden Gegenstücke - chemisch betrachtet - als gleichwertig gelten. Umgekehrt ist es indes bei Zuckern: Hier bevorzugt die belebte Natur offenbar die rechtsdrehende Variante.

Auf einen möglichen Zusammenhang mit der Chemie des Wassers stießen Meir Shinitzky vom Weizmann Institute of Science in Rehovot (Israel) und Kollegen im Labor.
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Der Artikel "Water gave life on Earth a guiding hand" erschien in der Zeitschrift "New Scientist" (25. Februar 2006).
->   Artikel
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Links- oder rechtsdrehend: Ein feiner Unterschied
Aminosäuren sind die Bausteine aller Eiweißstoffe (Proteine). Im Chemielabor hergestellt, entstehen stets spiegelgleiche Paare an Aminosäuren, so genannte linksdrehende oder L-Formen sowie rechtsdrehende oder D-Formen.

Chemisch verhalten sich L- und D-Aminosäuren gleich, sie unterscheiden sich aber, indem sie polarisiertes Licht in die entgegengesetzte Richtung drehen. Daher rührt auch die deutsche Bezeichnung rechts- bzw. links-"drehend".
In Lebewesen nur L-Aminosäuren
Warum in Organismen auf der Erde nur linksdrehende Aminosäuren vorkommen, ist bis jetzt nicht schlüssig geklärt.

Theorien besagen etwa, dass rechtsdrehende Formen bei der Ankunft auf der Erde durch eine bestimmte Strahlung zerstört werden, und sich das Leben deshalb nur aus linksdrehenden entwickelt hat.
Ursache: Energie-Differenz durch Kernkraft
Shinitzky hat nun herausgefunden, dass die Ursache für die Dominanz von L-Aminosäuren doch auf der Erde zu suchen ist:

"Die schwache Kernkraft macht eine geringe Energie-Differenz zwischen rechts- und linksdrehenden Molekülen und das könnte ihnen unterschiedliche chemische Eigenschaften verleihen."
Unterschiedliche Reaktion auf Salzsäure
Die Wissenschaftler überprüften ihre Theorie anhand von Polyglutaminsäure, einem spiralförmigen Molekül aus mehren Glutaminsäuren.

Durch die Zugabe von Salzsäure lösen sich die Spiralen auf und werden zu Fäden ähnlich "Nudeln in einer Suppe", wie Shinitzky es ausdrückte.

Dabei zeigte sich, dass doppelt so viel Salzsäure nötig ist, um L-Polyglutaminsäure zu entspiralisieren als die spiegelgleiche Form; ein chemischer Unterschied, der nach klassischen Theorien eigentlich nicht sein dürfte.
Ortho- und Para-Wasser
Shinitzky erklärte die Entdeckung mit der Tatsache, dass normales Wasser zu drei Vierteln aus leicht magnetischem "Ortho-Wasser" und zu einem Viertel aus nicht magnetischem "Para-Wasser" besteht.

Die durch die schwache Kernkraft ebenfalls leicht magnetischen L-Moleküle reagieren mit den Wasser-Molekülen und werden dadurch stabilisiert.

Ein Gegenversuch mit schwerem Wasser (bestehend aus schwerem Wasserstoff - Deuterium - und Sauerstoff), das keine Ortho- und Paraformen hat, brachte erwartungsgemäß keinen Unterschied bei der Auflösung der Aminosäuren-Spiralen.

[science.ORF.at/APA, 1.3.06]
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Zum Weiterlesen
Die Studie "Subtle differences in structural transitions between poly-L- and poly-D-amino acids of equal length in water" von Yosef Scolnik et al. erschien in "Physical Chemistry Chemical Physics" (Bd. 8, S. 333 - 339; doi:10.1039/b513974k). Zu dieser Publikation erschien auch ein Interview mit Meir Shinitzky.
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->   Department of Biological Chemistry, Weizmann Institut
->   Enantiomer - Wikipedia
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Stammt die Form der Biomoleküle aus dem Kosmos?
 
 
 
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01.01.2010