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Austromars (VI): Bergungstechnik im Test  
  Der sechste Eintrag im Logbuch zur Austromars-Expedition von sechs Österreichern in der Wüste von Utah beschreibt die herausfordernden Umstände bei der Rettung eines abgestürzten Astronauten.  
Utah Day 19 (Mission Day 12), Eintrag 6, 22:00 MSST
Bild: Austromars
Von Gernot Grömer

Wenn man nicht darauf ausgebildet sein würde, wäre das jetzt der perfekte Moment, ein wenig Panik zu bekommen: Vor uns ragt eine komplizierte Konstruktion aus Seilen, Bergsteiger-Karabinern und einem umgekehrten, drei Meter hohen "V" aus Karbonfiber, ein so genanntes Zweibein, auf.

Dazu kommt noch die Abgeschlossenheit von der Umwelt, kaum Geräusche, die durch den Raumanzugshelm hörbar sind, kein Sandkorn, das in den Anzug eindringen kann, nur das Rauschen der Luftzufuhr, unterbrochen durch die Funksprüche.
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Austromars in science.ORF.at
Zwar nicht direkt am Mars, aber unter ähnlichen Bedingungen spielt sich "Austro-Mars" ab: Sechs Österreicher trainieren ab sofort in der Wüste von Utah einen mehrwöchigen Aufenthalt auf dem Roten Planeten. In science.ORF.at präsentieren sie ihr Logbuch.
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Bergungstechnischer Versuch im Canyon
Vor mir - keinen halben Meter - eine Steilwand, die zwölf Meter senkrecht nach unten geht. In der surreal anmutenden Hochebene hat ein inzwischen ausgetrockneter Fluss vor langer Zeit einen Canyon in die Landschaft gezogen, in welchem wir in Kürze unseren bergungstechnischen Versuch durchführen werden.

Unser Leben hängt in diesen Stunden - simuliert wie real - an einem Set von dünnen Seilen und in den Händen unseres erfahrenen Tiroler Bergrettungsausbildners Markus Spiss.
Strapaze für Mensch und Material
Bild: Austromars
Die Bergung
Dieser Test geht davon aus, dass bei einer geologischen Exkursion auf dem Mars ein Astronaut abgestürzt ist. Nach einem relativ weichen Fall mit einem Drittel der Erdschwerkraft auf dem weichen Sand im ausgetrockneten Flussbett bleibt er regungslos liegen.

Die Abläufe, die jetzt die Bergungscrew durchführt, sind am ehesten mit Bergrettungsarbeiten zu vergleichen: lange Anmarschzeiten, das Problem der Unterkühlung auf dem Mars wie in den Bergen, begrenzte therapeutische Möglichkeiten, der Zeitfaktor und hohe Anforderungen an Leichtigkeit, Robustheit und Vielseitigkeit des Gerätes machen diesen Versuch zu einer fast schon alpinen Herausforderung unter Marsbedingungen.

So ist etwa der Sand bereits hier in der Wüste von Utah eine massive Belastung des Materials: Seile versteifen sich, Umlenkrollen werden schwergängig, dazu kommen die massiven Einschränkungen durch den Raumanzug.
"Bergerfahrene" Österreicher
Bild: Austromars
Die Ausrüstung im Test
Wozu das Ganze? Sicher werden geologische Kletterarbeiten auf dem Mars aus Sicherheitsgründen bei den ersten bemannten Expeditionen nicht durchgeführt werden.

Aber über kurz oder lang werden die realen Astronauten auch in geologisch interessante Regionen, die nur schwer zugänglich sind und nur unzureichend mit automatisierten Rovern erforscht werden, vorstoßen.

Je mehr Zeit die Wissenschaftler im Feld verbringen, umso höher wird auch das Risiko von solchen Unfällen. Das Know-how, das wir als zum Teil sehr bergerfahrene Österreicher in diesen Tests mitbringen, stößt auf großes Interesse der Mars Society, unserer gastgebenden Organisation, auf deren Einladung das Österreichische Weltraum Forum die AustroMars-Mission durchführt.
Modernstes Alpin-Equipment im Test
Bild: Austromars
Transport des Materials
Wir testen hier modernstes Alpin-Equipment, lernen auch Lektionen für den Bergrettungsdienst, und - in nicht allzu fernen Jahrzehnten - könnten diese ersten Tests auch bei einer realen Rettungsaktion behilflich sein und einen kleinen Teil dazu beitragen, das Leben eines verunglückten Astronauten zu bewahren.

Grund genug, sich mit einem - trotz allem Vertrauen in die Technik, Ausbildung und Crew - leicht mulmigen Gefühl mit vollem Gewicht (etwa 110 kg mitsamt dem Raumanzug) in die Konstruktion zu hängen und die 12 Meter abseilen zu lassen.

Mit einem ernsten Nicken hebe ich den linken Daumen und gebe das O.K. zum Abseilen. Unten liegt mein Patient und braucht meine Hilfe.

[20.4.06]
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01.01.2010