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Couch-Schau: "Materielle Basis der Psychoanalyse"  
  Die scheinbaren Nebensächlichkeiten spielen in der Psychoanalyse wahrlich keine kleine Rolle. Daher ist es nur schlüssig, dass das Wiener Sigmund Freud-Museum zum heurigen Freud-Jahr keine klassische biografische Ausstellung zeigt, sondern sich einem prominenten Hilfsmittel der Psychoanalyse widmet: der Couch.  
Donnerstagabend wurde die Schau "Die Couch. Vom Denken im Liegen" eröffnet - sie beschäftigt sich mit der "materiellen Basis der Psychoanalyse" (Kuratorin Lydia Marinelli) und läuft noch bis 5. November.
Fördert den "Hang zum Kontrollverlust"
Seit 1886 verwendete Freud eine Couch als Arbeitsmittel seiner Tätigkeit, und diese ist längst zum Symbol für die Psychoanalyse geworden. Auch wenn Freud selber nicht von "Couch", sondern von Diwan und Ruhebett gesprochen hat und der englische Begriff erst über den Umweg des angloamerikanischen Raumes zum Begriff der Psychoanalyse wurde.

Das Möbel gibt zwischen den möglichen Sitz- und Liegepositionen "keine eindeutige Körperhaltung vor" und ruft im Patienten einen "Hang zum Kontrollverlust" hervor.

Die Liegeposition weise eine Nähe zum Schlaf, daher auch dem Traum, und eine Assoziation mit sexuellen Handlungen auf - zentrale Elemente der Psychoanalyse.
Original-Couch bleibt in London
 
Bild: APA

Unterschiedliche Couch-Modelle aus der Zeit Freuds

Eines jedenfalls ist in der Schau nicht zu sehen: die Original-Couch Freuds, die er bei seiner Flucht nach London mitnahm und die dort den Status nationalen Kulturerbes hat und nicht außer Landes gebracht werden darf.

Doch auch das lässt sich mit einem Augenzwinkern psychoanalytisch deuten: "Dinge, die abwesend sind, geben einem mehr zu denken als Dinge, die anwesend sind", so Marinelli.
Whiteread, Warhol, Man Ray
 
Bild: APA

In der dritten Sonderausstellung des Freud Museums seit 1996 zu sehen ist hingegen eine Rachel Whiteread-Skulptur (die eine Putzkraft des Freud Museums nicht als solche erkannte und aus der Ausstellung entfernen lassen wollte), Aufnahmen von Andy Warhol auf der Couch in seiner Factory, Arbeiten von Man Ray, Spencer Finch und Max Ernst.

Ebenfalls präsentiert wird eine Geschichte der Couch in verschiedenen medizinischen Anwendungen, die auch die Überführung der Couch vom bürgerlichen Mobiliar in die Psychoanalyse nachvollziehbar macht. Und natürlich so manche Couch.
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2004 erschien das Buch "Magie der Couch", in dem die Inneneinrichtung von insgesamt 70 Psychoanalytikern und Psychoanalytikerinnen innerhalb und außerhalb Europas porträtiert wurde.
->   Mehr dazu: Die Couchs der Psychoanalyse (10.12.04)
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Grafiken und Interviews
 
Bild: APA

Ein weiteres Couch-Modell der Ausstellung, umrahmt von Journalisten

Grafiken aus dem 19. Jahrhundert zeigen diejenigen Freuden-Mädchen, die auf der Couch liegend den bürgerlichen Männern durch intime Gespräche und auch ebensolche Tätigkeiten den moralischen Kontrollverlust erleichterten.

Und Ausschnitte aus Interviews mit Psychoanalytikern machen nachvollziehbar, wie (un)wichtig das Möbelstück in der heutigen Psychoanalyse ist. Eine Antwort daraus: Die Couch ist ein Ort, an dem Gedanken gedacht werden dürfen, die an keinem anderen Ort gedacht werden dürfen.

[science.ORF.at/APA, 4.5.06]
->   Freud Museum
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Therapie bei Freud: "Bitte legen Sie sich hin" (wien.ORF.at)

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01.01.2010