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Neptun beging interplanetares Kidnapping  
  Zur Entstehung von Triton, dem größten Mond des Neptun, hat bisher unter Astronomen Rätselraten geherrscht. Zwei US-Forscher vermuten nun, dass der Trabant durch eine Art interplanetares Kidnapping entstanden ist.  
Craig B. Agnor von der University of California in Santa Cruz und Douglas P. Hamilton University of Maryland in College Park gehen davon aus, dass Triton einst Teil eines Zweikörpersystems war, das durch das Gravitationsfeld des Neptun auseinander gerissen wurde.
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Die Studie "Neptune's capture of its moon Triton in a binary-planet gravitational encounter" von Craig B. Agnor und Douglas P. Hamilton erschien in "Nature" (Bd. 441, S. 192-4; Ausgabe vom 11.5.06).
->   Abstract
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Reguläre und irreguläre Satelliten
Alle vier Riesen unseres Sonnensystems - Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun - weisen eine Reihe von Satelliten auf, die man für gewöhnlich in zwei Klassen unterteilt: reguläre und irreguläre Satelliten.

Erstere sind Monde, die sich relativ nahe um ihren "Mutterplaneten" bewegen, wobei der kreisförmige Orbit auf der Äquatorialebene des Planeten liegt. Sie bilden - der Form nach - gewissermaßen ein Mini-Sonnensystem.

Irreguläre Satelliten sind in der Regel weiter entfernt und zeigen mehr oder wenig starke Abweichungen vom kreisförmigen Orbit. Etwa die Hälfte dieser Objekte umkreist ihren Planeten in retrograder Richtung, d.h. gegenläufig zur Rotation des Planeten. Für die Entstehung dieser eigenartigen Begleiter wurde bislang eine Reihe unterschiedlicher Modelle entworfen.
->   Monde des Sonnensystems (Wikipedia)
Rätselraten um Triton
Darunter befindet sich die Idee, dass die Monde aus atmosphärischen Gasen der Planeten entstanden sein könnten. Andere Theorien sehen gravitative Wechselwirkungen oder Kollisionen mit regulären Satelliten vor.

Doch all diese Modelle scheinen nicht für Triton, den retrograden Begleiter des Neptun zu passen. Triton hat etwa die 1,4-fache Masse von Pluto und ist somit der größte irreguläre Satellit unseres Sonnensystems.

Diese Masse macht es relativ unwahrscheinlich, dass Triton einst durch Interaktion mit anderen Satelliten in seine jetzige Umlaufbahn gezwungen wurde.
Neues Modell: Ehemaliges Doppelsystem
Bild: Nature
Craig B. Agnor und Douglas P. Hamilton haben nun ein Modell entworfen, das die rätselhafte Existenz des Triton erklären könnte. Sie gehen davon aus, dass Triton einst Teil eines Zweikörpersystems war, ähnlich wie es gegenwärtig bei Pluto und Charon der Fall ist.

Falls diese zwei Körper mit relativ niedriger Geschwindigkeit nahe an Neptun vorbeigezogen sind, dann haben die wirkenden Kräfte das Doppelsystem auseinander gerissen, so Agnor und Hamiltons in ihrer Studie.

In diesem Szenario sei es nicht unwahrscheinlich, dass in weiterer Folge eines der beiden Objekte in eine Umlaufbahn des Neptun gezwungen wurde (Bild rechts).
Prämissen durchaus realistisch
Damit diese Erklärung auch realistisch ist, müssen allerdings zwei Voraussetzungen zutreffen, wie Alessandro Morbidelli in einem Kommentar ausführt (Nature, Bd. 441, S. 162-3). Zum einen muss die protoplanetare Scheibe, aus der sich Neptun entwickelt hat, eine große Zahl an Objekten enthalten haben, die in etwa die Größe des Pluto erreichten.

Diese Bedingung kann zwar nicht direkt überprüft werden, aber sie ist laut anderen Studien durchaus plausibel. Man nimmt an, dass die protoplanetare Scheibe etwa 50 Erdenmassen aufwies. Damit wäre sie rund 50 Mal schwerer als der Kuipergürtel gewesen - eine scheibenförmige Region unseres Sonnensystems, die neben Pluto, Orcus und Charon rund 70.000 Objekte beherbergt.

Zum zweiten muss ein nennenswerter Anteil der großen Objekte der protoplanetaren Scheibe Teil eines Doppelsystems gewesen sein. Auch das scheint realistisch: Wie die Astronomen Denise C. Stephens and Keith S. Noll heuer im Astronomical Journal (Bd. 131, S. 1142-8) berichteten, enthält etwa der Kuipergürtel rund zehn bis 15 Prozent solcher "binaries". Das wäre ein Wert, mit dem das Modell des interplanetaren Kidnapping funktionieren würde.

[science.ORF.at, 11.5.06]
->   Kuipergürtel (Wikipedia)
->   Neptun (Wikipedia)
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01.01.2010