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Auf den evolutionären Spuren der Schönheit  
  Für die Biologie ist Schönheit etwas, das die "genetische Fitness" von Lebewesen zum Ausdruck bringt. Der Verhaltensforscher Karl Grammer begab sich bei einem Vortrag auf die Spuren dieser Ästhetik.  
Das weite Feld der Biologie
Die moderne Biologie wird heute in der öffentlichen Meinung zumeist mit Molekularbiologie, Biotechnologie und Genetik in Verbindung gebracht.

Jener Zweig der Biologie, der ganze Organismen, ihre Verhaltensweisen, ihre Evolution und ihre Anpassung an die Umweltbedingungen erforscht, rückt damit zunehmend in den Hintergrund.

Dass die Biologie aber auch an dieser Forschungsfront äußerst aktiv ist, darauf will die Österreichische Akademie der Wissenschaften mit den Karl von Frisch Lectures (Nobelpreisträger 1973) aufmerksam machen.
Perfekte Gene, perfekte Körper?
Im Rahmen der Karl von Frisch Lectures setzte sich der Verhaltensforscher Karl Grammer von der Fakultät für Lebenswissenschaften der Universität Wien Mittwochabend mit der Frage "Ist Schönheit mehr als nur Oberfläche?" auseinander.

Nach derzeitigem Stand der Forschungen ist die Frage "Perfect bodies - perfect genes?" - ob also schöne Menschen auch tatsächlich die gesünderen sind - noch nicht eindeutig zu beantworten, wiewohl sich nach Karl Grammer "lose Zusammenhänge" zeigen.

Um diese Frage eindeutig beantworten zu können, müsste es eine ebenso eindeutige Definition von biologischer Fitness geben. Belegt ist hingegen wissenschaftlich, dass sich manche spezifischen Gen-Kombinationen auch in einem bestimmten äußeren Erscheinungsbild des Gen-Trägers niederschlagen.
Ein Konstrukt unseres Gehirns
In der Biologie geht man heute davon aus, dass "auch die Ästhetik etwas ist, das sich im Laufe der Evolution entwickelt hat", sagt Karl Grammer.

Und diese Ästhetik, die auch unsere Vorliebe bei der Partnerwahl mit beeinflusst, sind keine "eingeborenen Bilder, die wir besitzen, sondern das sind Konstruktionsanleitungen, die unser Gehirn benutzt um Schönheit zu konstruieren".

Jugendlichkeit, Durchschnittlichkeit, Symmetrie, Oberflächentextur, Bewegungsabläufe, Körpergeruch und all jene Strukturen, die sich unter dem Einfluss von Hormonen entwickeln, sind die Primärmerkmale für die Konstruktionsanleitungen, an hand derer das je individuelle Konstrukt "Schönheit" gebildet wird. So kann jeder von uns sein eigenes Bild von Schönheit haben, das von dem anderer Menschen stark abweichen kann.
Körpergeruch besonders wichtig
In seinen Forschungen nach Attraktivitätsmerkmalen, die eventuell auch eine Korrelation zu biologischer Fitness aufweisen, fand der Verhaltenforscher heraus, dass die Attraktivität eines Menschen weniger von Einzelmerkmalen als von der gesamten Gestaltung der Person ausgeht.

In der Beurteilung der Attraktivität eines Menschen werde der ganze Körper als ein einziges Ornament wahrgenommen, in dem der Körpergeruch - für den Verhaltensforscher doch etwas überraschend - ein hervortretendes Teilchen in diesem Ornament sei.
Es muss was an Schönheit dran sein ...
Wenn bereits wenige Tage alte Babys Bilder von schönen Menschen länger anschauen als die von weniger attraktiven Menschen; wenn attraktive Straftäter für die gleichen Verbrechen mildere Strafen als Täter mit weniger gewinnendem Äußeren bekommen - dann stellt sich für Karl Grammer die Frage nach dem "Warum" dieses obsessiven Umgangs mit der Schönheit.

Nicht was Schönheit überhaupt ist, sondern auch was sie in unserem alltäglichen Leben ausmacht, sollte so gesehen stärker in den Brennpunkt der Ästhetikforschung gestellt werden, meint der Verhaltenforscher.

Eveline Schütz, Ö1-Wissenschaft, 11.5.06
->   Karl von Frisch Lectures (ÖAW)
Andere Sichtweisen auf die Schönheit in science.ORF.at:
->   Schönheit definiert sich kulturell (17.11.03)
->   Schönheit im Wandel der Geschichte (3.10.01)
 
 
 
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01.01.2010