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Experte befürchtet Krise europäischer Wissenschaft  
  Die europäische Wissenschaft könnte in eine Krise schlittern und gegenüber den USA, China oder Japan zurückfallen, befürchtet der ehemalige Präsident des Schweizerischen Wissenschaftsrats.  
Gründe dafür seien, dass die Europäer "die Wissenschaft aus dem Kulturbegriff verbannt und Angst vor Risiko haben", sagte der aus Österreich stammende Biochemiker Gottfried Schatz bei der traditionellen Feierlichen Sitzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Wien.
"Null-Risiko-Mentalität"
Dies habe einerseits die Naturwissenschaften zu einem "Zulieferer" für wirtschaftliche Interessen degradiert und andererseits die "Null-Risiko-Mentalität" zur Überregulierung der Wissenschaften geführt.

Für die Allgemeinheit seien Kultur und Naturwissenschaften völlig getrennte Welten, dazwischen würden etwas ratlos die Geisteswissenschaften angesiedelt - für Schatz ein "verzerrtes Kulturverständnis". Dies habe zur Folge, dass in Europa im Gegensatz etwa zu den USA Mäzene lieber Konzertsäle als Labors finanzierten.
Forschungspolitik wie "Potemkinsche Dörfer"
Die europäische Forschungspolitik erinnert Schatz an "Potemkinsche Dörfer", sie bestehe vor allem aus bunten Stecknadeln für wissenschaftliche Prestigeprojekte, "die nicht der Wissenschaft, sondern dem Prestige des Errichters dienen". Das neueste Projekt in dieser Reihe sei die geplante Europäische Elite-Uni, das European Institute for Technology (EIT).

"Kein Experte glaubt, dass diese Schreibtischgeburt die schöpferische Kraft steigern wird", sagte Schatz, der dafür plädierte, besser das Geld in die besten Köpfe in Europa zu stecken, etwa über das European Research Council (ERC).
Plädoyer für Unplanbarkeit der Wissenschaft
Besorgt zeigte sich Schatz, dass auch in Österreich immer mehr Geld in Forschungs-Programme gesteckt werde und damit nicht der freien, unabhängigen Forschung zur Verfügung stehe.

Solche verordneten Netzwerke seien dann akzeptabel, wenn der Wissenschaft genügend Mittel zur Verfügung stehe, um eigene Ideen zu verfolgen. "Von dieser Situation ist Österreich aber noch weit entfernt". Wenn die Wissenschaftspolitik die Ziele der Forschung zu klar vorgebe, dann erwürge sie das, was sie fördern soll.

Die Krise der Wissenschaft wurzelt für Schatz in der Weigerung Europas, die Unplanbarkeit der Wissenschaft anzuerkennen. Die Lösung für Schatz wäre, rigoros die besten Köpfe auszuwählen und ihnen gezielt Geld zu geben, auch wenn das Mittelmaß dann weniger erhalte, und diese Köpfe dann frei denken und forschen zu lassen.

[science.ORF.at/APA, 17.5.06]
->   Österreichische Akademie der Wissenschaften
 
 
 
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01.01.2010