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"Hobbit": Weiter Streit um Hirn des Flores-Menschen  
  War der Flores-Mensch Vertreter einer bislang unbekannten Spezies oder schlichtweg ein moderner Mensch mit abnorm verkleinertem Schädel? Über diese Frage gibt es bis heute keine Einigung in der Forschergemeinde - im Gegenteil: In der aktuellen Ausgabe von "Science" wird darüber wieder einmal öffentlich gestritten.  
Streitpunkt ist diesmal eine Studie aus dem letzten Jahr, der zufolge Homo floresiensis zu Recht als neue Art beschreiben wurde. Deren Aussagekraft zweifeln naturgemäß jene Forscher an, die der pathologischen Interpretation zuneigen.
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Zu diesem Thema erschienen in "Science" zwei Diskussionsbeiträge: "Comment on 'The Brain of LB1, Homo floresiensis'" von R. D. Martin et al. und "Response to Comment on 'The Brain of LB1, Homo floresiensis'" von Dean Falk et al.
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Neue Spezies oder nicht?
Bild: EPA
Schädel von Homo floresiensis
Im Jahr 2004 wurde auf der indonesischen Insel Flores das Skelett eines mutmaßlich unbekannten Vertreters der Gattung Homo gefunden, den man aufgrund seiner geringen Körpergröße mit dem Spitznamen "Hobbit" versah.

Kurz darauf regten sich Zweifel an der Interpretation des Fundes. Das Argument: Es handle sich nicht um eine neu entdeckte Spezies, sonder vielmehr um einen Vertreter unserer Art, der an Mikrozephalie - einer Fehlentwicklung von Kopf und Gehirn - litt.

Diese Behauptung wurde dann vom US-Anthropologen Dean Falk entkräftet, der das Gehirn des Flores-Menschen anhand von virtuellen Schädelausgüssen rekonstruierte und mit jenem eines Mikrozephalie-Patienten verglich. Das Ergebnis: Der "Hobbit" war kein moderner Mensch und auch nicht krank.
->   Mikrozephalie - Wikipedia
Knatsch um Knochen
An der Aussagekraft dieses Vergleichs zweifeln nun Forscher um Robert Martin vom Field Museum in Chicago. Ihre Einwände: Wenn Homo floresienis von größeren Hominiden abstamme und einen evolutionären Schrumpfprozess absolviert habe, dann müsste er ein relativ größeres Gehirn aufweisen - das Verhältnis Kopf zu Körper sei für eine natürliche Entwicklung zu gering.

Zweitens seien die von Dean Falk und Kollegen vorgelegten Daten irreführend, weil das Referenzobjekt von einem zehnjährigen Mikrozephalie-Patienten stamme. Und drittens habe man selbst ähnliche Vergleiche mit zwei anderen virtuellen Schädelausgüssen vorgenommen, die nahe legen: Der "Hobbit" war ein moderner Mensch, und zwar ein kranker.
Kritik an Kritikern
Das lassen freilich Falk und Kollegen nicht auf sich sitzen. Sie üben ihrerseits Kritik an der Methodik der Kritiker und sehen ihren Standpunkt keineswegs in Frage gestellt. Für Fortsetzungen der Causa dürfte daher gesorgt sein.

Robert Czepel, science.ORF.at, 19.5.06
->   Homo floresiensis - Wikipedia
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Zwergmensch war trotz Minihirn intelligent
->   Unbekannte Zwergmenschenart in Indonesien entdeckt
 
 
 
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01.01.2010