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EU-Projekt soll Lebensmittel sicherer machen  
  Salmonellen, Listerien, Schimmelpilze - all das und noch weitere Krankheitserreger oder Keime können sich in Lebensmitteln tummeln. Ein Wiener Forschungsteam will die Lebensmittel nun sicherer machen.  
Im Rahmen des EU-Forschungsprojekts "Biotracer" kooperiert die veterinärmedizinische Universität Wien mit Dänemark und 40 weiteren Staaten.
Wenig schmackhafte Verkettung
Milch, Fleisch oder Himbeeren: Lebensmittel würden heutzutage meist erst dann getestet, wenn sie im Geschäft zum Verkauf angeboten werden, und dann dauere es bis zu zehn Tage, bis Ergebnisse vorliegen, sagt Martin Wagner vom Institut für Milchhygiene, Milchtechnologie und Lebensmittelwissenschaft an der Veterinärmedizinischen Uni Wien.

Durch das EU-Projekt sollen die Tests schneller und informativer werden. Wagner in Ö1: "Wir wollen nicht nur sagen, dass es ein Keim ist - auf Grund biochemischer Identifikation. Wir wollen sagen können, ob es ein pathogener Keim ist. Mit Hilfe der Genomanalyse wollen wir über die Gefahr, die mit dem Keim assoziiert ist, bessere Aussagen treffen können."
Genaue Spurensuche in Kühlregal ... und Magen
Wagner stützt sich bei den Lebensmittelanalysen auf molekularbiologische Methoden: "Das Substrat, das wir untersuchen, ist nicht der Keim an sich, sondern seine DNA."

"Das ist eine sehr wichtige Methode: Wenn man nämlich den Keim auf einer bestimmten Ebene der Lebensmittelkette entdeckt hat und ihn beim Patienten findet, dann kann man auch schließen, dass der Keim durch die gesamte Kette transportiert worden ist und die Krankheit ausgelöst hat", so Wagner.
Krank durch Lebensmittel
In Österreich gibt es laut Wagner, der auch wissenschaftlicher Leiter des EU-Projekts "Biotracer" ist, pro Jahr mehrere tausend Salmonellen-Patienten (vor allem durch infizierte Eier oder Hühnerfleisch).

Die Zahl der erkrankten Menschen sei in den vergangenen zwei Jahren von 6.000 bis 10.000 Fällen auf 3.000 bis 7.000 gesunken, so Wagner, und zwar auf Grund von Impfaktionen bei Legehennen.

Bei Erkrankungen durch Listeria-Bakterien werden laut Wagner zwei Dutzend Fälle pro Jahr gemeldet (durch verseuchte Milch), ein Drittel verlaufe tödlich. Listeria-Arten können zum Beispiel Schwangerschaftsabbrüche oder Gehirnhautentzündungen verursachen.

Staphylokokken wiederum seien der zweitwichtigste Auslöser von Magen-Darm-Beschwerden, so Wagner gegenüber dem ORF-Radio.
Den Winzlingen auf der Spur
Das Forschungsprojekt "Biotracer" heftet sich an die Spuren von Mikroorganismen und ihren Toxinen.

Das Wiener Team (fünf bis acht Forscher an der Vetmed Wien) widmet sich dabei besonders Listeria monocytogenes und Staphylococcus aureus, die in der Milchproduktion vorkommen können.

Im gesamten Projekt (weitere fünf Wissenschaftler in Dänemark) werden folgende Mikroorganismen untersucht: Campylobacter-Arten in Hühnern, Salmonella-Arten in Schweinen,
Listeria-Arten und Staphylococucs aureus in Milchprodukten, Toxine und Sporen bildende Bakterien (Clostridium botulinum und Bacillus cereus/anthracis), Mykotoxine und Salmonella-Arten in der Futtermittelkette und Viren in abgefülltem Wasser.
Biomarker und Software-Tools
Im Projekt sollen Biomarker auf Basis von Genen, Proteinen oder Stoffwechselprodukten gefunden werden.

Darüber hinaus werden Software-Tools entwickelt und Empfehlungen ausgearbeitet, die die Entscheidungsfindung erleichtern sollen.
"Food-Terrorism"
Es sei das erste Projekt in Europa, das sich auch dem Bio-Terrorismus in der Lebensmittelkette widme, sagte Projektkoordinator Jeffrey Hoorfar vom Dänischen Institut für Lebensmittel- und Veterinärforschung.

Auf Lebensmittel-Terrorismus sei Europa nicht vorbereitet, meinte der Professor für Nahrungsmittelmikrobiologie im ORF-Radio. So gebe es etwa keine Pläne, wie vorzugehen sei, wenn Lebensmittel bewusst mit Krankheitserregern verseucht würden.

In dem Projekt "Biotracer" werde nun beispielsweise simuliert, dass Terroristen in Flaschen abgefülltes Trinkwasser mit Viren verseuchen und Panik in der Bevölkerung ausbricht:
"Wie kann man dann sicherstellen, dass andere Wasser-Chargen trinkbar sind? Wie weiß man, ob die Viren nach ein bis zwei Wochen noch infektiös sind?"
Industrie interessiert
Das EU-Projekt läuft über vier Jahre und wird mit elf Millionen Euro gefördert. Die Partner der Wiener und dänischen Forscher kommen aus Wissenschaft und Industrie. Insgesamt sind mehr als 40 Staaten beteiligt, darunter auch die USA, China und Russland.

Das Interesse der Industrie ist berechtigt: Laut Wagner mussten binnen vier Jahren in den USA 1.200 Rückruf-Aktionen gestartet werden, der finanzielle Schaden gehe in die Milliarden, dazu komme das angekratzte Image.

In das EU-Projekt sind mehrere der großen weltweit agierenden Konzerne involviert, so Projektkoordinator Hoorfar gegenüber Ö1. Österreichische Nahrungsmittelproduzenten sind (derzeit) nicht beteiligt.

Barbara Daser, Ö1 Wissenschaft, 23.5.06
->   Institut für Milchhygiene - Vetmed Uni Wien
->   Dänisches Institut für Lebensmittel- und Veterinärforschung
 
 
 
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01.01.2010