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Armut wird als Faktor für Übergewicht immer wichtiger  
  Dass Übergewicht in den Industrieländern auch eine Folge von Armut sein kann, ist Ernährungsmedizinern seit längerem bekannt. US-Forscher haben den Zusammenhang nun präzisiert: Unregelmäßiger Zugang zum Essen und damit verbunden ungesunde Lebensweise führen ihnen zufolge bei sozioökonomisch Benachteiligten zu den Extrakilos - eine Tendenz, die immer stärker wird.  
Bei US-amerikanischen Erwachsenen der ärmeren Bevölkerungsschichten konnte festgestellt werden, dass unregelmäßige Nahrungsmittelzufuhr zu einer stetigen Gewichtszunahme führt - bei Frauen bis zu viereinhalb Kilogramm jährlich.

Bei Jugendlichen im Alter von 15 bis 17 Jahren, ebenfalls aus den armen Schichten, ist gerade in den letzten zehn Jahren ein starker Trend hin zum Übergewicht erkennbar - unterschieden sie sich vor 20 bis 30 Jahren noch nicht in ihrem Gewicht von den "reicheren" Gleichaltrigen, so wird die Diskrepanz nun immer größer.
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Zum Thema sind aktuell zwei Artikel erschienen: "Trends in the Association of Poverty With Overweight Among US Adolescents, 1971-2004") im Journal "JAMA" (Bd. 295, Nr. 20, S. 2385, 24. Mai), "Individual weight change is associated with household food security status" im "Journal of Nutrition" (Bd. 136, Nr. 5, S. 1395, Mai 2006).
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50 Prozent höheres Risiko von Übergewicht
Forscher um den Ernährungsmediziner Parke Wilde von der Turfts University gingen in ihrer Untersuchung dem Zusammenhang zwischen dem Zugang zum Essen - der mit dem sozialen Status variiert - und einer Gewichtszunahme nach. Den Autoren zufolge ist es die erste Studie dieser Art.

Die Analyse von nationalen Gesundheitsdaten aus den Jahren 1999 bis 2002 ergab: Bei Erwachsenen, die aufgrund von Armut nicht regelmäßig essen, besteht ein bis zu 50 Prozent höheres Risiko einer Gewichtszunahme.

Frauen aus armen Haushalten nehmen so wenigstens 4,5 Kilogramm in einem Jahr zu. Bei Männern ergab sich ein ähnlicher - wenn auch nicht ganz so deutlicher - Befund.
Unterernährung und Heißhunger
Eine Ursache vermuten die Wissenschaftler darin, dass die unregelmäßige Nahrungsmittelzufuhr eine gewisse Zeit lang zu einer Art "Unterernährung" führt, die dann in einen von Heißhunger getriebenen Überkonsum gipfelt.

Dieser Zyklus von Unterernährung und "Überessen" würde zur kontinuierlichen Gewichtszunahme führen. Außerdem würden Personen mit kleinerem Geldbeutel auch billigere und damit kalorienreichere Nahrung zu sich nehmen.
Problemgruppe: 15- bis 17-Jährige
Richard A. Miech von der Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health und Kollegen zeigten in ihrer Studie, dass es in Familien, die unterhalb der Armutsgrenze leben, heute 50 Prozent mehr übergewichtige 15- bis 17-Jährige gibt als in den Familien, deren Einkommen darüber liegt.

Diese Diskrepanz habe allerdings noch nicht in den 1970er und 1980er Jahren bestanden - sie sei erst in den letzten zehn Jahren aufgetaucht, ergibt die Analyse von US-amerikanischen Gesundheitserhebungen aus den vergangenen 33 Jahren.
Größere Autonomie fördert ungesunden Lebensstil
Die 15- bis 17-Jährigen aus Familien mit Einkommen unterhalb der Armutsgrenze neigen zu übermäßigem Konsum von kalorienreichen süßen Getränken und zu wenig Bewegung. Zudem lassen sie laut den Forschern häufig das Frühstück ausfallen.

Bei den 12- bis 14-Jährigen scheint sich die elterliche Aufsicht noch durchzusetzen, denn der Trend ist bei ihnen nicht erkennbar. In dieser Altersgruppe gab es auch keine auffällige Korrelation zwischen Übergewicht und sozioökonomischem Status.
Mehr als doppelt so viele Übergewichtige
"Die Anzahl an übergewichtigen Jugendlichen hat sich in den USA innerhalb der letzten drei Jahrzehnte mehr als verdoppelt. Und die Anteile von Jugendlichen, die übergewichtig sind, sind in den letzten zehn Jahren viel schneller unter den Armen als unter den wohl Situierten gestiegen", fasst Richard A. Miech zusammen.

Programme für eine verbesserte Ernährung unter Jugendlichen müssten weiter entwickelt und umgesetzt werden - insbesondere unter den Armen. Ansonsten drohten steigende Fälle an Diabetes Typ 2, Bluthochdruck, Atempausen während des Schlafs (Schlaf-Apnoe-Syndrom) und erhöhter Morbidität im Erwachsenenalter.

[science.ORF.at, 24.5.06]
->   Parke E. Wilde, Friedman School of Nutrition Science and Policy
->   Richard A. Miech, Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health
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01.01.2010