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Frauen und Männer orientieren sich unterschiedlich  
  Frauen haben hin und wieder Schwierigkeiten beim Einparken und Männer wissen oftmals nicht, wo sie am Vortag ihre Socken abgelegt haben: Hinter diesem Klischee steckt tatsächlich ein Körnchen Wahrheit, wie eine britische Studie ergeben hat. Ihr zufolge ist der räumliche Orientierungssinn bei Männern ausgeprägter.  
In Übereinstimmung mit früheren Studien fanden Catherine M. Jones und Susan D. Healy von der University of Edinburgh, dass die Geschlechter auch unterschiedliche Orientierungs-Strategien wählen. Frauen verbinden ihre räumliche Erinnerung bevorzugt mit konkreten Objekten, Männer hingegen nicht.
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Die Studie "Differences in cue use and spatial memory in men and women" von Catherine M. Jones und Susan D. Healy erschien in den Proceedings of the Royal Society B (doi: 10.1098/rspb.2006.3572).
->   Zur Studie (sobald online)
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Unterschiede auch bei anderen Tierarten
"Die Fähigkeit, räumliche Probleme zu lösen, ist vielleicht der klarste kognitive Unterschied zwischen Männern und Frauen", lautet der erste Satz der Studie von Catherine M. Jones und Susan D. Healy. Das ist aus zoologischer Perspektive nichts Ungewöhnliches. Ähnliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern wurden etwa bei Hirschmäusen, Wiesenwühlmäusen, Mäusen und Ratten nachgewiesen.

Bekannt ist aus früheren Studien auch, dass sich Männer und Frauen bei der Orientierung unterschiedlicher Strategien bedienen: Frauen achten eher auf markante Punkte in der Landschaft, beispielsweise Gebäude, während Männer eher abstrakte Informationen bevorzugen, nämlich Himmelsrichtungen und geometrische Eigenschaften der Umgebung.
Frauendomäne "Memory"
Dementsprechend fallen auch Testergebnisse aus: Männer sind etwa beim Zeichnen von Landkarten versierter, Frauen wiederum können sich besser an die Lage gebräuchlicher Objekte in der Wohnung zu erinnern.

Selbst die Performanz beim bekannten Kartenspiel "Memory" (bei dem es darum geht, möglichst viele Paare von verdeckten Bildern zu finden) wurde schon unter kontrollierten Testbedingungen untersucht. Das Ergebnis: Frauen haben beim objektbezogenen Gedächtnis die Nase vorn (Brain and Cognition 53, S. 381).
Vielzahl an Hypothesen
Soweit die rein empirische Seite. Um diese Unterschiede zwischen den Geschlechtern zu begründen, wurde bereits eine Reihe von Vermutungen formuliert.

Die wahrscheinlich bekannteste ist die Reichweiten-Hypothese ("Range Size Hypothesis"), der zufolge jenes Geschlecht mit einer besseren räumlichen Orientierung ausgestattet ist, das in seiner natürlichen Umwelt die weiteren Wege geht - was, wie Studien zeigen, bei den meisten Tierarten für Männchen gilt. Ob man dieses Erklärungsmuster auch für Homo sapiens heranziehen kann, ist indes noch fraglich.

Gleichsam umgedreht ist die Argumentation der Fruchtbarkeits-Hypothese ("Female Fertility Hypothesis"): Sie geht nämlich nicht davon aus, dass Männchen mit besserer Orientierung von der Selektion bevorzugt wurden, sondern vielmehr Weibchen, bei denen die räumliche Orientierung geringer ausgeprägt war. Und zwar deswegen, weil sie sich dann weniger weit von ihrem Nachwuchs entfernten, was wiederum der Reproduktion zugute kam.

Andere Hypothesen nehmen auf Strategien der Futtersuche oder die Neigung zu kriegerischen Auseinandersetzungen Bezug - gemein ist ihnen allen, dass sie relativ gut mit den vorhandenen Daten übereinstimmen, weswegen man kaum eine davon objektiv bevorzugen kann. Aus diesem Grund haben nun Catherine M. Jones und Susan D. Healy ein Set von Tests entwickelt, das die Wahl zwischen den verschiedenen Modellen erleichtern soll.
Experiment spricht für Fruchtbarkeits-Hypothese
Dabei mussten die Testpersonen Objekte auf Bildschirmen betrachten und sich an deren Lage sowie deren visuelle Beschaffenheit erinnern. In einem zweiten Durchgang überprüften Jones und Healy, ob Geschlechter eine der beiden Informationen bevorzugen, sofern beide gleich gut zur Lösung einer Aufgabe geeignet sind.

Das Ergebnis: Frauen orientierten sich eher an den visuellen Eigenschaften der präsentierten Objekte während Männer keine Präferenz erkennen ließen. Was das räumliche Erinnerungsvermögen betrifft, schnitten die männlichen Probanden besser ab - bei der visuellen Erinnerung erzielten die Frauen höhere Werte, allerdings statistisch nicht signifikant.

Jones und Healy sehen mit diesem Ergebnis am ehesten die Fruchtbarkeits-Hypothese bestätigt. Diese sagt unter anderem auch voraus, dass etwaige Unterschiede bei der Orientierung vom aktuellen Hormonstatus abhängig sind. Als nächstes planen die beiden Biologinnen daher eine Variation ihres Experiments, bei dem sie den Menstruationszyklus der Probandinnen berücksichtigen wollen.

[science.ORF.at, 26.5.06]
->   University of Edinburgh
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01.01.2010