News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Gesellschaft 
 
Aktien: "Flüssigerer" Name, besserer Börsenstart  
  Der Aktienname kann darüber entscheiden, welche Performance die Aktie kurz nach dem Börsengang zeigt: Je flüssiger, also leichter aussprechbar, dieser ist, desto günstiger entwickeln sich die Wertpapiere, sagen US-Psychologen.  
Kompliziertere Namen schneiden im Vergleich schlechter ab. Dies gelte zumindest für die erste Zeit nach der Börsennotierung, erkannten Adam L. Alter und Daniel M. Oppenheimer von der Princeton University.

Ihre Erkenntnisse basieren auf einer Laboruntersuchung sowie einer Analyse von wirklichen Aktiennamen und ihrer Wertverläufe.
...
Der Artikel "Predicting short-term stock fluctuations by using processing fluency" erscheint zwischen 29. Mai und 2. Juni 2006 in der Fachzeitschrift "Proceedings of the National Academic of Sciences" (DOI: 10.1073/pnas.0601071103).
->   Abstract (sobald online veröffentlicht)
...
Psychologie für wirtschaftliches Handeln
Kurzfristige Kursschwankungen an Börsenmärkten voraussagen zu können, das ist nicht nur ein Traum der Broker. Auch die Ökonomen haben über Jahrzehnte lang versucht, die Herausforderung mit mathematischen Modellen zu bestehen.

Doch sie tüfteln nicht mehr allein - auch die Verhaltensforscher versuchen spätestens seit den 1970er Jahren, unter Berücksichtigung der Psyche wirtschaftliches Handeln zu analysieren und damit prognostizierbar zu machen.

So sei bereits bekannt, dass Menschen eher optimistisch sind, wenn sie sich gut fühlen; dass sonnige Tage bessere Märkte versprechen als regnerische; dass durch einen "Heimat-Bias" die Anleger tendenziell lokale Märkte den internationalen vorziehen.
Aktiennamen im (Labor-)Test ...
Alter und Oppenheimer ging es bei ihrer Untersuchung um die Korrelation zwischen Namensgebung des Wertpapiers und Aktienperformance nach Börsenstart, die natürlich vom Handeln der Anleger abhängt: Kaufentscheidung oder eben nicht.

Im Labortest sagten die Probanden von Alter und Oppenheimer die Kursentwicklung von (erfundenen) Aktien mit einfachen und schwierigen Namen voraus. Wie erwartet trauten die meisten den Unternehmen mit eingängigen Namen mehr zu.
... wie auch an der NYSE
In einer zweiten Studie konnten die Forscher zeigen, dass dem auch tatsächlich so war: Unternehmen der "New York Stock Exchange (NYSE)" mit einfachen Namen entwickelten sich besser als solche mit schwierigen, zumindest in den ersten Tagen nach einer Börsennotierung. Danach nahm der Effekt immer mehr ab.

Die Wissenschaftler geben in ihrer Studie ein Rechenbeispiel: Bei einer Investition von 1.000 USD (784 EUR) in die zehn Aktien mit den flüssigsten Namen würde man nach einem Tag 112 USD (88 EUR) mehr verdient haben als bei der gleichen Investion in die zehn Aktien mit den schwierigsten Namen - nach einer Woche wären es 118 USD (93 EUR) mehr als bei der "schlechteren" Investition, nach sechs Monaten 277 USD (217 EUR) und nach einem Jahr 333 USD (261 EUR).

Obwohl es jeweils nur um ein paar Prozentpunkte Unterschied ging, hat das Phänomen nach Einschätzung der Psychologen doch "dramatische Folgen", da es an der Börse ja oft um Milliarden gehe.
Flüssigere Namen wecken Vertrauen
Dass nach ihrer Beobachtung die Aktien mit dem leichter auszusprechenden Namen bessere Kursverläufe zeigten, erklären die Wissenschaftler damit, dass kurz nach dem Börsengang oft noch nicht so viel über das Unternehmen bekannt sei.

Deshalb ließen sich viele Anleger dann von ihrer Intuition leiten. Frühere Studien haben nachgewiesen, dass einfache, griffige Namen größeren Zuspruch finden.

Stimuli, die "flüssiger" klingen, wären in mehrerer Hinsicht positiver besetzt: flüssiger im Sinne von "häufiger", "wahr", "berühmt", "familiär" und "überzeugend".
"BAL" besser als "BDL" ...
Doch was wäre wenn der Aktienname selbst, also semantisch, den Anlegern etwas "verspricht" und damit das Handeln beeinflusst? Beispielsweise hätten in den 1960er Jahren die Unternehmen, die ein "tronic" in ihrem Namen trugen im Vergleich zu den Firmen ohne "tronic" besser abgeschnitten, berichten die Forscher.

Auch könnten ausländische Namen weniger leicht über die Zunge gehen, da sprachlich so anders. Um beide Fälle auszuschließen, überprüften Alter und Oppenheimer ihr Ergebnis auch anhand der "Ticker", den Buchstabencodes der Aktien.

Gleicher Befund: Neuemissionen mit aussprechbaren Tickern wie etwa "KAR" oder "BAL" zeigten nach einem Tag an der NYSE und der American Stock Exchange (AMEX, New York) eine bessere Performance als diejenigen mit Kürzeln wie "RDO" oder "BDL".
... aber keine voreiligen Schlüsse!
Oppenheimer mahnt, dass die Ergebnisse nicht die ganze Geschichte erzählen würden, wie sich eine Aktie nach dem Initial Public Offering (IPO) weiter entwickelt.

Der Name einer Aktie sei kein verlässlicher Indikator, weder für die kurzfristige noch für die langfristige Entwicklung, warnt Oppenheimer.

"Sie sollten an Ihrem Aktien-Portfolio nichts aufgrund unserer Erkenntnisse ändern." Die Ergebnisse würden nur einen weiteren kleinen Puzzlestein liefern für das Verständnis, wie Märkte funktionieren.

[science.ORF.at/dpa, 30.5.06]
->   Daniel M. Oppenheimer, Princeton University
->   Börsencrash: Aktienkurse erinnern an Erdbeben (22.2.06)
->   Fußballsiege lassen Aktienkurse steigen (13.11.03)
->   Rechenmodell sagt Börsenschwankungen voraus (16.10.03)
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Gesellschaft 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010