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Arktis-Eisbildung Millionen Jahre früher als gedacht  
  Die Eismassen im Arktischen Ozean haben sich neuen Studien zufolge 14 Millionen Jahre früher gebildet, als bisher angenommen wurde - nämlich vor rund 45 Millionen Jahren und damit zur selben Zeit wie das Antarktis-Eis. Das widerspricht der gängigen Annahme revidiert, wonach die Südpolarregion viel früher vereiste als ihr nördliches Pendant.  
Die frühere Eisbildung in der Antarktis hatten Wissenschaftler mit tektonischer Plattenbewegung und veränderten Meeresströmungen auf der Südhemisphäre erklärt. Allerdings gab es auch Daten, die dagegen sprachen.

Die neuen Erkenntnisse stützen sich nun auf Analysen von Bodensedimenten, die Forscher im Rahmen von Tiefenbohrungen in der zentralen Arktis gewonnen haben.

Damit sollen dem internationalen Team zufolge erstmalig so lange zurückreichende Daten aus dem "Herzstück" der Nordpolarregion vorliegen: Sie geben Aufschluss über die Entwicklung des Nordpol-Klimas von vor 55 Millionen Jahren bis heute.
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Zum Thema sind drei Artikel in der Fachzeitschrift "Nature" (Bd. 441, 1. Juni 2006, S. 601-605, S. 606-609, S. 610-613) erschienen.
->   Aktuelle "Nature"-Ausgabe
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Treibhausklima vor 55 Mio. Jahren
Die Arktis ist bekanntermaßen - wie auch ihr südliches Gegenstück - in großem Maße für die "Erdkühlung" zuständig und damit ein wichtiger Klimaregulator. Die großen weißen Schnee- und Eisflächen reflektieren das Sonnenlicht; damit reduziert sich die Menge an Strahlung, die von der Erde absorbiert wird.

Doch das war nicht immer so: Vor 55 Millionen Jahren etwa herrschten auf der Erde in weiten Teilen subtropische Temperaturen. Das warme Klima wurde mit einem hohen Anteil an Treibhausgasen in Verbindung gebracht.

Das ausgeprägte Treibhausklima ging als das Paläozän-Eozän-Wärmemaximum (Palaeocene-Eocene Thermal Maximum - PETM) in die Chronik der Klimageschichte ein.

Welche Einflüsse das PETM auf die Umwelt hatte, war Appy Sluijs von der Utrecht University und seinen Kollegen zufolge bisher zwar für die niedrigeren Breitengrade bekannt, doch für die arktische Region gab es noch weiße Flecken auf der Paläo-Klimakarte (Nature, Bd. 441, S. 610).
->   Palaeocene-Eocene Thermal Maximum bei Wikipedia
Subtropische Wassertemperaturen, ...
Die Klimafibel der Arktis liest sich laut den Wissenschaftlern nun so: Vor rund 55 Millionen Jahren waren die oberflächlichen Wassertemperaturen in der Region des Nordpols rund 23 Grad Celsius warm und damit frei von Eis. Sie lagen damit zehn Grad höher als bisher angenommen wurde. Die Erwärmung war Folge des PETM.
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Erwärmung der nördlichen Polarregion: Ursachen
Bisher gingen Experten davon aus, dass das PETM durch massive Freisetzung von Kohlenstoffen - möglicherweise aus Methanlagern unter Wasser - ausgelöst wurde. Doch neben den großen Mengen an Kohlendioxid schlagen Sluijs und sein Team ergänzende wärmende Mechanismen vor, so etwa andere Treibhausgase, Wolken aus gefrorenem Wasserdampf in der Stratosphäre oder die Hurrikans, die das Wasser der Ozeane durchmischten. Mit dem CO2 alleine könne die nordpolare Klimaerwärmung nicht erklärt werden.
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... eine "grüne Oase" ...
Vor rund 49 Millionen Jahren kühlten dann aber die Wassertemperaturen wieder merklich ab. Es herrschten oberflächlich Süßwasserbedingungen - beste Voraussetzungen für das Wachstum einer freischwimmenden Farnart.

Henk Brinkhuis von der Utrecht University und seinem Team zufolge wuchs der Farn auf dem arktischen Oberflächenwasser für einige Hunderttausend Jahre (Nature, Bd. 441, S. 606).

Als sich das Wasser aber wieder mit salzigerem und wärmerem Wasser von benachbarten Ozeanen vermischte, verschwanden die Farne. Die Zeit kennzeichnet eine Art Übergangszeit vom Treibhausklima zum "Eishausklima".
... hin zum "Eishausklima"
Eine globale Abkühlung steht für den Beginn des kühlen Klimas vor rund 45 Millionen Jahren. Als Ursache wird allgemein von einem dramatischen Abfall von atmosphärischen CO2 vor 45 bis 25 Millionen Jahren ausgegangen.

Diese Abkühlung zeigte entsprechende Folgen in der Nordpolarregion. Ablagerung in dem geborgenen Sedimentkern sprechen dafür, dass es auch in der Arktis bereits erste Anzeichen einer Vereisung gab.

Das so genannte "Eishausklima" stand - wie der Name bereits sagt - unter dem Einfluss von Eis und Eisbergen vom mittleren Eozän bis heute.
Mit Mythos aufgeräumt
Eisbildung in der Arktis und Antarktis gingen damit Hand in Hand vor sich. Die Wissenschaftler sprechen von einer "bipolaren Symmetrie" oder Spiegelsymmetrie beim Klimawandel an den Polen (Nature, Bd. 441, S. 601).

Mit dem von der "Arctic Coring Expedition (ACEX)" zu Tage geförderten, über 400 Meter langen Sedimentkern wurde damit ein Kapitel der Arktis-Klimageschichte neu geschrieben.

"Die Ergebnisse zeigen zudem, was für eine bedeutende Rolle Treibhausgase als Motor des Klimawandels spielen", sagt Ko-Autor Steven Clemens vom Department of Geological Sciences der Brown University (Rhode Island).

Kenntnisse über das Paläoklima ermöglichen es Experten, die heutigen Mechanismen der Klimaerwärmung genauer zu erfassen und zwischen natürlichen oder vom Menschen verursachten Faktoren zu unterscheiden.

Heather M. Stoll von der Universidad de Oviedo bewertet die neue Chronik der Eisbildung in der Arktis in einem Begleitartikel als besonders wichtig für diejenigen, die sich mit Klimamodellen beschäftigen: "Wenn es möglich ist, dass die Klimaforscher Prozesse in die Modelle einbauen, die in der Vergangenheit warme Pole produziert haben, dann kann man auch eher den Vorhersagen für die Zukunft vertrauen."

Lena Yadlapalli, science.ORF.at, 1.6.06
->   International Ocean Drilling Program (deutsche Website)
->   Arctic Coring Expedition 2004
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01.01.2010