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Vor 25 Jahren wurde AIDS erstmals beschrieben  
  Am 5. Juni 1981 erschien ein Artikel in einem amerikanischen Fachjournal, der Medizingeschichte schreiben sollte. Erstmals wurden darin Symptome einer Krankheit aufgezählt, die später AIDS genannt wurde.  
Der Fachartikel war bloß zwei Seiten lang: Michael Gottlieb von der Universität von Kalifornien in Los Angeles und seine Kollegen beschreiben im wöchentlichen Bulletin der US-Gesundheitsbehörde CDC die Fälle fünf junger homosexueller Männer, die an einer extrem seltenen Lungenentzündung litten.

Zwei der Patienten sind beim Erscheinen des Reports bereits tot. Noch weiß niemand, dass ein lebensgefährliches Virus die Ursache ist. Dennoch gilt der vor 25 Jahren erschienene Bericht in der Wissenschaft als erster über die bis heute unheilbare Immunschwäche.
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Die erste Erwähnung von AIDS ist im "Morbidity and Mortality Report" (MMWR) unter dem Titel "Pneumocystis Pneumonia - Los Angeles " erschienen (Bd. 30, S. 1, 5.6.81).
->   Der Artikel
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Auffällige Lungenentzündungen
 
Bild: MMWR

Die fünf jungen Männer, alle aktive Homosexuelle, seien wegen einer Lungenentzündung durch den Erreger Pneumocystis carinii in drei verschiedenen Krankenhäusern in Los Angeles behandelt worden, berichten die Mediziner um Gottlieb.

Diese Häufung ist höchst ungewöhnlich: Der einzellige Erreger infiziert nur Patienten, deren Immunsystem durch Krebs oder starke Medikamente unterdrückt ist. Jetzt aber benötigen gleich fünf Schwule das Spezialmedikament Pentamidin.

Es ist nur über die Behörden zu bekommen und wurde zwischen 1967 und 1979 gerade zwei Mal bestellt. Warum jetzt fünf Mal in einer Stadt?
Weitere Berichte aus anderen Städten
Gottlieb und seine Gruppe betonen, dass sich die betroffenen Männer nicht kannten und auch keinen gemeinsamen Kontakt zu anderen Männern hatten - schon das lasse darauf schließen, dass bereits mehr Menschen betroffen seien.

Der Artikel hat zahlreiche ähnliche Berichte aus New York, San Francisco und anderen Städten zur Folge. Damit kommt der Ball ins Rollen - Sorge verbreitet sich bei Medizinern wie bei Schwulen.
Krebsfälle häuften sich
Zur gleichen Zeit häufen sich auch anderenorts die Anfragen nach Pentamidin - ebenfalls zur Behandlung junger Männer. Gleichzeitig mehren sich bei Homosexuellen in den Staaten New York und Kalifornien Kaposi-Sarkome - eine bis dato rare Krebsart.

Auch ein bösartiger Krebs des Lymphgewebes nimmt zu. Im Juni 1981 benennt das CDC eine Untersuchungsgruppe, um Risikofaktoren zu bestimmen und eine nationale Überwachung zu planen.
Anfangs v. a. homo- und bisexuelle Männer betroffen
Binnen 18 Monaten beschreiben die Epidemiologen alle wichtigen Risikofaktoren von AIDS und prägen zugleich dessen Namen - wörtlich übersetzt das "erworbene Immunschwächesyndrom" (Acquired Immune Deficiency Syndrome).

Bis zum 15. Dezember 1982 liegen dem CDC schon 593 Fälle vor - 243 Patienten (41 Prozent) sind gestorben. 41 weitere Berichte stammen aus zehn weiteren Ländern. 75 Prozent der Fälle betreffen homo- und bisexuelle Männer.
Bluttransfusionen als Risikofaktor
1982 kommt auch der erste wesentliche Hinweis darauf, dass andere Übertragungswege möglich sind: AIDS tritt erstmals bei Blutern auf, die Blutprodukte erhalten haben und keine anderen zu jener Zeit vermuteten Risikofaktoren aufweisen.

Wenig später zeigt sich AIDS auch bei Empfängern von Bluttransfusionen sowie bei Drogenabhängigen, die ihre Injektionsnadeln gemeinsam benutzen.
Schwächung des Immunsystems
Im Dezember 1982 beschreiben die Experten vier AIDS-Fälle, bei denen im Labor Probleme mit den T-Lymphozyten (weiße Blutzellen) nachgewiesen wurden. Heute ist bekannt, dass das AIDS-Virus die CD4+- Zellen angreift - jene Abteilung des Immunsystems, die die Antwort des Körpers auf eingedrungene Krankheitserreger koordiniert.

Damals wie heute sterben die Menschen an den so genannten opportunistischen Infektionen, die sich daraufhin im ungeschützten Körper verbreiten.
Die Entdeckung des Virus
Die Arbeitsgruppen der Virologen Luc Montagnier (Frankreich) und Robert Gallo (USA) finden schließlich gemeinsam den Erreger HIV (Human Immunodeficiency Virus, humanes Immunschwächevirus).
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Die Studien "Isolation of a T-lymphotropic retrovirus from a patient at risk for acquired immune deficiency syndrome (AIDS)" von Luc Montagnier et al und "Isolation of human T-cell leukemia virus in acquired immune deficiency syndrome (AIDS)" von Robert Gallo et al sind am 20. Mai 1983 im US-Fachjournal "Science" erschienen (Bd. 220, S. 868 und S. 865).
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Schon in 20er Jahren auf Menschen übergegangen?
Zwar wurde AIDS also zu Beginn der achtziger Jahre als neue Krankheit erkannt. Die Geschichte der Immunschwäche ist aber wesentlich älter. Hier ein kurzer Überblick über die wichtigsten Stationen:

1920 bis 1930: Moderne, nachträgliche Analysen legen inzwischen den Schluss nahe, dass das AIDS-Virus bereits zu dieser Zeit in Afrika auf den Menschen überging. Weil wenige Menschen reisten, verbreitete sich das Virus zunächst nicht.

1959: Aus diesem Jahr stammt die älteste sicher dokumentierte HIV-Infektion. Sie wurde später in der Blutprobe eines Afrikaners nachgewiesen.
Verschiedene Medikamentenklassen
1987: Das erste AIDS-Medikament (AZT) wird zugelassen.

1988: Die UNO ruft den ersten Welt-AIDS-Tag aus.

1995: Der erste Vertreter der zweiten Klasse von AIDS-Medikamenten, so genannten Protease-Inhibitoren, kommt auf den Markt.

1996: Das AIDS-Bekämpfungsprogramm UNAIDS der Vereinten Nationen wird gegründet. Der erste Vertreter der dritten Klasse von AIDS-Medikamenten, so genannten nicht-nukleosidischen Reverse- Transkriptase-Hemmern, kommt auf den Markt.

1999: Ein internationales Forscherteam findet deutliche Hinweise darauf, dass das AIDS-Virus HIV-1 von Schimpansen aus Zentralafrika auf den Menschen überging.

2003: Der erste Vertreter der vierten Klasse von AIDS-Medikamenten, so genannten Entry-Inhibitoren, kommt auf den Markt.
Heute sind 38,6 Millionen Menschen HIV-infiziert
Und das sind die jüngsten Zahlen aus dem Welt-AIDS-Report der Vereinten Nationen für das Jahr 2005: Schätzungsweise 38,6 Millionen Menschen weltweit sind HIV-positiv - und die meisten von ihnen wissen es nicht.

Es gab 4,1 Millionen Neuinfektionen, 2,8 Millionen Menschen starben im vergangenen Jahr an der Immunschwächekrankheit, die seit einem Vierteljahrhundert als globale Epidemie vermutlich 25 Millionen Menschen das Leben gekostet hat.

Thilo Resenhoeft, dpa, 2.6.06
[science.ORF.at]
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01.01.2010