News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit 
 
Klischee widerlegt: Migräne steigert Lust auf Sex  
  "Heute Nacht nicht, ich habe Kopfweh" gilt dem Klischee nach als klassisches Argument, um sexuelle Aktivitäten zu vermeiden. Diese Ausrede könnte in Zukunft nicht mehr funktionieren: US-Forscher haben herausgefunden, dass Migräne die Libido nicht hemmt, sondern im Gegenteil sogar steigert.  
Verantwortlich dafür dürfte der Gehirnbotenstoff Serotonin sein. Er scheint sowohl bei der Entstehung von Migräne als auch bei der Steuerung des sexuellen Begehrens eine Schlüsselrolle zu spielen.
...
Die Studie "Not Tonight, I Have a Headache?" von Timothy T. Houle et.al. ist in der Juni-Ausgabe von "Headache: The Journal of Head and Face Pain" (Band 46, S. 983) erschienen.
->   Abstract
...
Serotonin: Link zwischen sexuellem Verlangen und Migräne
Dass der Zusammenhang zwischen Migräne und sexuellem Begehren um einiges komplexer ist als die gängigen Klischees behaupten, haben bereits mehrere Studien gezeigt. Viele Forschungsergebnisse sprechen dafür, dass dieser Zusammenhang durch das Hormon Serotonin vermittelt wird. Serotonin steuert beim Menschen nicht nur den Gemütszustand, den Schlafrhythmus und die Körpertemperatur, sondern auch den Sexualtrieb.

Ein außergewöhnlich hoher Serotoninspiegel, wie er etwa nach einer Behandlung mit Antidepressiva auftaucht, gilt gemeinhin als Libidobremser. Da viele Migränepatienten ungewöhnlich niedrige Serotoninwerte aufweisen, lag daher im Umkehrschluss die Vermutung nahe, dass diese ein gesteigertes sexuelles Verlangen verspüren müssten.
68 Kopfwehpatienten befragt
Um herauszufinden, ob Migränepatienten tatsächlich mehr Lust auf Sex haben, haben Timothy Houle von der Wake-Forest-University und Kollegen 68 Kopfwehpatienten über ihr Sexualleben befragt. Ausgewählt wurden Männer und Frauen, die mindestens zehn Mal im Jahr von Kopfschmerzen oder Migräne heimgesucht wurden und die durchschnittlich 24 Jahre alt waren.

Die Probanden wurden - je nachdem, ob sie eher zu Migräne oder zu verspannungsbedingten Kopfschmerzen neigten - in zwei Gruppen eingeteilt. Beide mussten dann Angaben über die Stärke und Häufigkeit ihres sexuellen Begehrens machen.
Migränepatienten haben mehr Lust auf Sex
Das Ergebnis: Die Probanden der "Migränefraktion" berichteten tatsächlich über ein stärkeres Verlangen als die anderen Kopfwehpatienten. Dies betraf sowohl Männer als auch Frauen: Während insgesamt der Lustfaktor bei Männern 24 Prozent über jenem der Frauen lag, wiesen Frauen mit Migräne ein ähnlich starkes sexuelles Begehren auf wie Männer mit Verspannungskopfschmerzen.

Interessantes Detail: Den Probanden der Migränegruppe war ihre gesteigerte Libido auch selbst bewusst. Sie kreuzten an, dass sie glaubten, mehr Lust am Sex zu haben als ihre Alters- und Geschlechtsgenossen.
Neue Impulse für Migräneforschung
Wenngleich die Zusammensetzung und Größe der Testgruppe keine allgemeingültigen Aussagen zulässt, sind Houle und seine Kollegen überzeugt, dass ihre Studie einen direkten Zusammenhang von Libido und Migräne belegt. Sie gehen davon aus, dass auch Studien mit älteren Testpersonen ähnlich ausfallen werden.

Ob Migränepatienten allerdings auch mehr Lust auf Sex haben als Menschen ohne Kopfschmerzen, deklarieren die Forscher nicht näher.

Der Botenstoff Serotonin dürfte jedenfalls in der Migräneforschung einen noch wichtigeren Stellenwert bekommen als schon bisher. In einem nächsten Schritt gelte es das verstärkte Auftreten von Depressionen bei Migränepatienten zu untersuchen, meint Houle. Auch hier dürfte der Serotoninspiegel eine Schlüsselrolle spielen.

[science.ORF.at , 13.06.06]
->   Wake Forest University, School of Medicine
->   Serotonin - Wikipedia
->   Mehr zum Thema "Migräne" im Archiv von science.ORF.at
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010