News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Wissen und Bildung .  Technologie 
 
Quantenphysik: Atome ziehen sich durch Abstoßung an  
  In der Quantenphysik ist vieles möglich: sogar stabile Paare von Atomen, die sich anziehen, obwohl sie sich eigentlich abstoßen. Was bisher nur theoretisch vorausgesagt wurde, haben österreichische Forscher nun experimentell bestätigt. Sie wiesen so genannte abstoßungsgebundene Paare von Rubidium-Atomen nach.  
Eine Forschergruppe um Rudolf Grimm und Peter Zoller von der Universität Innsbruck und vom Institut für Quantenoptik und Quantenkommunikation (IQOQI) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) berichtet über die Experimente in der jüngsten Ausgabe von Wissenschaftszeitschrift "Nature".
...
Die Studie "Repulsively bound atom pairs in an optical lattice" ist in "Nature" (Bd. 441, S. 853, Ausgabe vom 15.6.06) erschienen.
->   Nature
...
Wunderbare Welt der Quanten
Damit zwei Teilchen zusammenkommen, braucht es normalerweise irgendeine Art von anziehender Kraft. So ziehen positiv geladene Kerne (Protonen) und negativ geladene Elektronen einander über die elektromagnetische Kraft an, zwei Protonen wiederum bei entsprechend geringer Entfernung über die Kernkraft.

Doch in der Welt der Quanten, wo die Physiker immer wieder auf Phänomene stoßen, die dem Menschenverstand völlig zu widersprechen scheinen, gibt es auch hier Ausnahmen.

So können Rubidium-Atome, die einander eigentlich abstoßen sollten, gerade durch die Abstoßung zu Paaren zusammenfinden. Und diese "repulsiv gebundenen Atompaare" haben die Physiker nun nachgewiesen.
Paarbildung im Laser-Gitter
Grafik: Institut für Experimentalphysik, Universität Innsbruck
Zwei Atome an einem Platz des optischen Gitters
Sie kühlten die Atome dazu bis nahe an den absoluten Nullpunkt ab und erzeugten ein so genanntes Bose-Einstein-Kondensat, ein besonderer Materiezustand, in dem die Teilchen ihre Identität verlieren und quasi im Gleichschritt schwingen.

Anschließend legten Sie ein dreidimensionales Gitter aus Laserstrahlen über die Atomwolke. Gleichsam in den Löchern des Gitters finden sich dann die Atome.

Was anfangs als seltsame Signale bei der Auswertung gedeutet wurde, erwies sich nach Hinzuziehung der Theoretiker als Nachweis der Abstoßungsbindung. Überall an den Gitterplätzen, wo zwei Atome zu liegen kamen, bildete sich ein derartiges Paar.
Wollen nicht gegen Quantengesetze verstoßen
 
Grafik: Institut für Experimentalphysik, Universität Innsbruck

Die typische Impulsverteilung der Atome
eines repulsiven Paars.


Obwohl sich die Atome abstoßen, können sie den Gitterplatz nicht verlassen, weil sie sich gegenseitig dabei behindern. "Es bildet sich ein stark korreliertes System, das sehr einem Molekül gleicht, nur die Bindungsenergie hat falsche Vorzeichen", erklärte dazu Experimentator Hecker Denschlag.

Selbst wenn die Paare mit anderen Atomen zusammenstoßen, löst sich die seltsam anmutende Verbindung nicht auf.

Die Erklärung der Theoretiker für den Zusammenhalt der Paare klingt ebenso eigenartig: Um die Paarung aufzugeben, müssten die Teilchen Positionen einnehmen, die nach den Quantengesetzen verboten sind; daher bleiben sie zusammen.
Auch für Quantencomputer relevant
Abgesehen von der Bedeutung der Versuche für die Grundlagenforschung denken die Innsbrucker Wissenschaftler weiter in Richtung Quantencomputer.

Dort sind stets in irgendeiner Form mit einander verknüpfte Teilchen gefragt, die dann etwa für Berechnungen herangezogen werden können. Laut Denschlag ist es vorstellbar, dass sich auch drei oder mehr Atome an einem Gitterplatz des Lasergitters zusammenfinden.

[science.ORF.at/APA, 14.6.06]
->   Hintergrundinformation zu der Studie (Uni Innsbruck)
->   IQOQI
->   Institut für Experimentalphysik - Uni Innsbruck
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Stolpersteine auf dem Weg zur "Theorie für Alles" (15.5.06)
->   Dreiecksbeziehung in der Quantenwelt (16.3.06)
->   Innsbrucker Physiker erzeugen erstes Quanten-Byte (30.11.05)
->   Erstes Bose-Einstein-Kondensat in einem Festkörper (23.9.05)
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Wissen und Bildung .  Technologie 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010