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Alter und Glücksgefühl - eine unterschätzte Liaison  
  Die glücklichsten Jahre erlebt der Mensch in jungen Jahren - das ist die landläufige Meinung. Diese vertrat auch eine Gruppe von Probanden bei einer Befragung durch US-Forscher. Doch es könnte auch ein Irrglaube vorliegen, denn: Bei der Selbsteinschätzung der Probanden zeigte sich, dass ältere Menschen viel glücklicher sind als jüngere.  
Und auch ein Blick hinter die biologische Kulisse verrät: Eine bessere emotionale Stabilität lässt sich bei älteren Menschen auch neuronal erkennen. Das zeigten australische Wissenschaftler anhand von Gehirn-Scans.
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Zu diesem Thema erschienen kürzlich zwei Artikel: eine Studie von Heather Lacey et al. in der Juni-Ausgabe der Fachzeitschrift "Journal of Happiness Studies" und der Artikel "The Mellow Years?: Neural Basis of Improving Emotional Stability over Age" von Leanne M. Williams et al. in "Journal of Neuroscience" (Bd. 26 (24), S. 6422, 14. Juni 2006).
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Lieber kurz, dafür intensiv gelebt?
Dem subjektiven Glücksempfinden auf der Spur: Forscher um Heather Lacey vom U-M Medical School's Center for Behavioral and Decision Sciences in Medicine befragten rund 540 Erwachsene - eine Gruppe mit einem Alter zwischen 21 und 40 Jahren und eine über 60 Jahren.

Die Probanden sollten auf einer Skala von eins bis zehn sagen, wie glücklich sie sind. Sie sollten auch einschätzen, wie glücklich Gleichaltrige im Durchschnitt sind.

In einem nächsten Schritt wurden sie gebeten sich zu erinnern oder vorherzusagen, wie sie sich im Alter von 30 und 70 gefühlt haben bzw. fühlen werden. Auch hier sollten sie dann Angaben machen, wie glücklich wohl der durchschnittliche Mensch mit 30 und 70 ist.
Alte Menschen sind glücklicher
Zwar gingen alle Teilnehmer davon aus, dass der durchschnittliche 30-Jährige glücklicher sei als der 70-Jährige - dass die Zufriedenheit also mit dem Alter im Allgemeinen abnimmt.

Aber die eigene Beurteilung zeigte ein anderes Bild: Die älteren Personen schätzten sich selbst viel glücklicher ein, als es die jüngeren Personen taten.
"Emotionale Ressource" wächst
Frühere Studien ließen bereits erkennen, dass kranke Menschen häufig erstaunlich glücklich sind - manchmal ähnlich glücklich wie gesunde Personen.

Es käme dabei nicht auf die Lebensumstände an, meint Co-Autor Peter Ubel, sondern "das Glück der Menschen speist sich vielmehr aus einer 'emotionalen Ressource', die darunter liegt - eine Ressource, die mit zunehmendem Alter wächst."

Ältere Personen könnten besser mit Rückschlägen und Hochphasen im Leben umgehen, so dass sie auch glücklicher sind - selbst wenn sich die objektiven Rahmenbedingungen wie etwa mögliche Krankheiten verschlechtern.
Neuro-Wissenschaft stärkt Befund den Rücken
Das höhere Glücksempfinden im Alter kann laut einer zweiten Studie von australischen Wissenschaftlern auch biologisch verankert werden: Alte Menschen können vermutlich besser Zufriedenheit wahrnehmen - und schlechter Angst, berichten Leanne M. Williams vom Westmead Hospital in New South Wales und ihr Team.

Die australische Forscherin und Kollegen zeigten rund 240 Probanden im Alter zwischen 12 und 79 Jahren eine Serie von Fotos mit verschiedenen Gesichtsausdrücken - neben Angst und Zufriedenheit auch Wut, Ekel und Traurigkeit.

Mit Hilfe von Magnetresonanztomografie (fMRI) konnten die Wissenschaftler zeigen, dass ältere Personen im Gegensatz zu Jüngeren besser fröhliche Gesichtsausdrücke identifizieren konnten, jüngere allerdings besser die ängstlichen Bilder aus der vorgelegten Serie wahrnahmen.
Gehirn-Scans: Wahrnehmung mit Alter unterschiedlich
Bei den älteren Personen war beim Anblick der ängstlichen Bilder auch das emotionale Kontrollzentrum - der so genannte mediale präfrontale Cortex - aktiver als bei den Jungen. Damit sei wiederum das Angstzentrum, die Amygdala, blockiert gewesen.

Auch wenn diese biologischen Reaktionsunterschiede zwischen Alt und Jung und die dahinter liegenden Mechanismen noch nicht vollständig geklärt sind, so bringt Jason Radley vom Salk Institute for Biological Studies in La Jolla die Stresshormone Glukokortikoide damit in Verbindung, wie die Fachzeitschrift "New Scientist" berichtet. Experimente bei Nagetieren hätten gezeigt, dass diese die Aktivität im medialen präfrontalen Cortex reduzieren können.

"Wir konnten zeigen, dass emotionale Stabilität über siebzig Jahre (12-79) linear gestiegen ist", schreiben Williams und ihr Team. Negative Gefühle könnten besser kontrolliert werden - diese Entwicklung sei unabhängig vom Verlust der so genannten grauen Substanz. Eigentlich schöne Aussichten.

[science.ORF.at, 19.6.06]
->   Heather Lacey, Center for Behavioral and Decision Sciences in Medicine
->   Lea Williams, Brain Dynamics Centre, Westmead Hospital & University of Sydney
->   Glukokortikoide bei Wikipedia
Mehr zum Thema in science.ORF.at:
->   Frage des Monats: Macht Wissen unglücklich? (24.2.06)
->   Wer glücklich ist, ist auch gesünder (19.4.05)
->   Frühling: Glückshormone und mehr Abwehrkräfte (21.3.05)
->   Kann man Lebensglück messen? (27.8.03)
 
 
 
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01.01.2010