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Meeresküsten: 90 Prozent aller Arten ausgestorben  
  Der Mensch ist laut einer neuen Studie dafür verantwortlich, dass rund 90 Prozent aller Meerestiere und -pflanzen in den Küstenregionen ausgestorben sind. Mehr als die Hälfte der Seegras- und Feuchtgebiete verschwanden in den vergangenen Jahrhunderten von der Landkarte und die Wasserqualität hat um das bis zu Tausendfache abgenommen.  
Die Untersuchung ist nach Angabe der Forscher die umfassendste Aufnahme des Zustandes von Meeresarmen und Küstengewässern, die bisher unternommen worden ist.

Die Meeresökologin Heike K. Lotze der Dalhousie University in Halifax und ihre internationalen Kollegen konnten dabei zeigen, dass der vom Mensch ausgehende Einfluss auf die Küstenökosysteme bis in die Antike zurückreicht. Hauptursachen für die ökologische Krise sind die Ausbeutung der Ressourcen und die Zerstörung von Lebensräumen.
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Der Artikel "Depletion, Degradation, and Recovery Potential of Estuaries and Coastal Seas" von Heike K. Lotze et al. ist in der Fachzeitschrift "Science" (Bd. 312, 23. Juni 2006, S. 1806) erschienen.
->   Abstract in Science
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Schon früh dem Menschen ausgeliefert ...
Eine erste ernste Verknappung der Ressourcen konnten die Wissenschaftler bereits 2500 v. Chr. im Adria-Raum feststellen, sowie 1000 v. Chr. im Wattenmeer und der Baltischen See und mit Beginn der europäischen Kolonialisierung auch in Nordamerika und Australien.

Auch wenn die Ökosysteme der Küsten bereits früh unter dem Fischfang und der Besiedelung durch den Menschen litten, so zeigt sich ein erheblicher Schaden erst seit den letzten 150 bis 300 Jahren. Dabei spielten eine stärkere Bevölkerungszunahme, eine größere Nachfrage nach Ressourcen, die Entwicklung von Märkten für Luxusgüter und die sich ausbreitende Industrialisierung eine große Rolle, schreiben die Wissenschaftler.
... mit gestiegener Nachfrage nach Öl und Luxus verstärkt
Waren die maritimen Ökosysteme einmal biologisch sehr reich und vielfältig, so ist von der Diversität nicht mehr viel geblieben.

Laut Lotze und ihrem Team haben sich die Populationen der meisten Säugetiere, Vögel und Reptilien an den Meeresarmen bis 1900 merklich verringert und nahmen weiter ab, als 1950 die Nachfrage nach Nahrung, Öl und Luxusgüter wie etwa Pelze, Federn und Elfenbein anstieg.

Beim Fisch lautete die Reihenfolge der Populationsabnahme: Lachs und Stör zuerst, dann Thunfisch und Hai, gefolgt von Kabeljau und Heilbutt, Hering und Sardinen.

Bei den Wirbellosen waren es als erstes die Austern, die viel einbrachten und leicht verfügbar waren; die angewendeten Fangmethoden waren sehr zerstörerisch.

Die Wissenschaftler machen die Ausbeutung durch den Menschen für 95 Prozent des Artenrückgangs und 96 Prozent des Artensterbens verantwortlich - beides häufig in Kombination mit der Zerstörung der Habitate.

Doch Lotze und ihr Team räumen ein, dass gerade in den letzten Jahren auch der Klimawandel und fremde Arten einen erheblichen Druck auf die Küstenbewohner aus dem Tier- und Pflanzenreich ausgeübt haben.
Zwölf Ökosysteme der Küsten untersucht
Die Erkenntnisse der Wissenschaftler stützen sich auf eine Untersuchung von zwölf Meeresarmen und Küstengewässern in Europa, Nordamerika und Australien - vom Anbeginn menschlicher Besiedlung bis heute.

Dafür kombinierten sie paläontologischen, archäologischen, historischen und ökologische Aufzeichnungen. Sie dokumentierten die Veränderungen der Arten, Habitate, Wasserqualität und Invasionen von Fremdarten.
Schutzmaßnahmen erforderlich
"Im Vergleich mit anderen Ökosystemen des Meeres wie beispielsweise den Korallenriffen haben die Meeresarme und Küstengewässer bisher nur wenig Aufmerksamkeit erhalten", erklärt Lotze den schleichenden Prozess der Degeneration. Alleinig Schutzmaßnahmen können die fortschreitende Degeneration stoppen

Der schnellste Ausweg sei es, das Zusammenwirken von menschlichem Handeln zu unterbinden. Dabei sei es schon erfolgsversprechend, wenn mindestens zwei Aktivitäten eingestellt würden, u.a. die Ausbeutung der Ressourcen, die Zerstörung der Habitate oder die Verschmutzung.

Die gute Nachricht: Eine Erholung der Ökosysteme ist möglich. Bei den untersuchten Gebieten zeichnete sich nach entsprechenden Schutzmaßnahmen eine Verbesserung der Situation ab.

[science.ORF.at, 23.6.06]
->   Heike Lotze
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01.01.2010