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Studie: Mit Erdbeben schwarzes Gold fördern  
  Die Erdölindustrie könnte zukünftig die Erde beben lassen: Mit künstlich erzeugten Erdbebenwellen sollte es nämlich möglich sein, den Erdölfluss zu steigern, schlussfolgern US-Forscher auf Grundlage einer geophysikalischen Studie.  
Jean E. Elkhoury von der University of California in Los Angeles und seinen Kollegen ging es bei ihrer Untersuchung allerdings in erster Linie nicht darum, innovative Förderungstechniken für das schwarze Gold im Auftrag der Industrie zu entwickeln.

Sie beobachteten vielmehr, wie sich Erdbeben auf die Durchlässigkeit von Grundwasser führenden Gesteinsschichten auswirken. Bebte die Erde, so gab das Gestein drei Mal mehr Grundwasser ab.
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Der Artikel "Seismic waves increase permeability" ist in der Fachzeitschrift "Nature" (Bd. 441, 29. Juni 2006, S. 1135) erschienen.
->   Nature
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Auswirkung von Erdbeben im Gestein
Abseits von sichtbaren Zerstörungen, die Erdbeben je nach Stärke nach sich ziehen können, wirken sie noch auf viel subtilere Art: Sie steigern die Durchlässigkeit von Gestein für Flüssigkeiten. Im Fachjargon spricht man auch von Permeabilität.

Elkhoury und sein Team erkannten diesen Effekt auf einer geophysikalischen Beobachtungsstation in Südkalifornien. Dabei betrachteten sie über einen Zeitraum von zwanzig Jahren, in welchem Ausmaß Grundwasser in zwei Brunnen versickerte oder anstieg, nachdem Beben die Region erschüttert hatten.
->   Permeabilität bei Wikipedia
Auge auf den Grundwasserstand in Brunnen
Ganz allgemein steigt und fällt der Grundwasserspiegel in den Brunnen in Abhängigkeit von Wetter und Regenfall. Das seien allerdings "Langzeittrends", die von täglichen Variationen im Ausmaß von einigen wenigen Zentimetern überlagert werden, schreiben die Geophysiker.

Das tägliche und regelmäßige Auf und Ab in den Brunnen erklären die Forscher mit dem Einfluss der Gezeiten. Wie es die durch die Gravitation von Mond und Sonne ausgelöste Ebbe und Flut gibt, so gibt es auch Erdgezeiten. Die Gezeitenkraft verformt die feste Erdkruste.
Erdgezeiten: Gestein wird "ausgequetscht"
Durch die Gezeiten würde regelmäßig Druck auf das feste Gestein ausgeübt. Der Effekt sei zwar klein, schreiben die Wissenschaftler, allerdings würde so das poröse, Grundwasser führende Gestein quasi ausgequetscht.

Soll heißen: Das Grundwasser wird aus den Poren gedrückt und fließt ab. Dieses Phänomen führte zu regelmäßigen Veränderungen von bis zu drei Zentimetern beim Wasserstand in den Brunnen, die von Elkhoury und seinen Kollegen untersucht wurden.
Rückfluss abhängig von Durchlässigkeit
Wenn der Gezeitendruck wieder abnimmt, dann fließt Brunnenwasser zurück in die Grundwasser führenden Gesteinsschichten. Wie schnell das geschieht, liegt an der Permeabilität des Gesteins.

"Wir kennen den Gezeitendruck sehr gut, so dass wir den zeitlichen Abstand zwischen erfolgtem Druck und Veränderungen beim Wasserstand im Brunnen messen und so auf die Durchlässigkeit des Gesteins schließen können", erläutert Ko-Autorin Emily Brodsky in einer Aussendung.
Seismische Wellen beeinflussen auch Permeabilität
Sieben Mal bebte die Region rund um die zwei beobachteten Brunnen in den letzten zwanzig Jahren. Elkhoury und sein Team erkannten, dass die Erdbeben das Auftreten der festen Erdgezeiten und das tägliche Auf und Ab in den Brunnen beeinflusst haben.

Ihre Schlussfolgerung anhand eines Vergleichs der Wasserstände: Die durch die Erdbeben ausgelösten seismischen Wellen wirken sich ebenfalls auf die Durchlässigkeit des Gesteins aus.

Sie steigerte sich um das zwei- bis dreifache, errechneten die Forscher. Erst nach einigen Wochen bis Monaten sei das Gestein wieder zur ursprünglichen Durchlässigkeit zurückgekehrt.
Seismische Wellen zur Erdölförderung?
Wenn Grundwasser auf diese Weise in die Brunnen befördert wird, warum sollte das nicht auch auf das Erdöl oder Erdgas zutreffen, das ebenfalls in den Poren von Gesteinen sitzt? Mit Hilfe von künstlich erzeugten seismischen Wellen könne sicherlich Öl leichter extrahiert werden, schlussfolgern die Wissenschaftler.

Die entsprechenden Wellen zu erzeugen sei ein Leichtes: Man brauche nur die für seismische Versuche eingesetzten Lastwagen mit einer Art Vibrator zu nutzen, so genannte "Vibroseis Trucks". Damit können seismische Wellen in den Grund gesendet werden; die Lastwagen würden in einer bestimmten Frequenz eine bestimmte Zeit lang vibrieren.

Mit einem besseren Wissen über die physikalischen Vorgänge bei der durch Vibration ausgelösten Steigerung der Gesteinsdurchlässigkeit könne man den Fluss des Erdöls sicherlich steigern, so die Forscher. Die Erdölindustrie würde es ihnen danken.

[science.ORF.at, 29.6.06]
->   Jean E. Elkhoury
->   Gezeiten bei Wikipedia
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01.01.2010