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Ethisch unbedenkliche Stammzellenquelle vorgestellt  
  Mediziner setzen in die Stammzelltherapie große Hoffnungen. Mit ihr sollen in Zukunft Krankheiten wie Parkinson, Leukämie und Diabetes behandelt werden. Einziger Schönheitsfehler daran: Um die dafür notwendigen Stammzellen gewinnen zu können, müssen Embryonen zerstört werden. Italienische Forscher haben nun eine Alternative zu dieser herkömmlichen Methode vorgestellt: Sie gewannen embryonale Stammzellen aus unbefruchteten menschlichen Eizellen.  
Das berichteten Tiziana Brevini und Fulvio Gandolfi während des Jahrestreffens der European Society of Human Reproduction and Embryology (ESHRE) in Prag.
Strenge Gesetze, strenge Kirche
Italien hat eines der strengsten Stammzellengesetze der Welt. Und vermutlich auch die strengsten Kirchenmänner: Denn der Vatikan drohte kürzlich Wissenschaftlern mit Exkommunikation, falls sie Stammzellenforschung an Embryonen betreiben.

"Einen Embryo zu zerstören kommt einer Abtreibung gleich", sagte Kardinal Alfonso Lopez Trujillo, Präsident des Päpstlichen Rates für die Familie, der katholischen Zeitschrift "Famiglia Cristiana". "Die Exkommunikation trifft die Mutter, den Arzt, die Krankenschwestern und den Vater, wenn auch er einverstanden war", dekretierte der Geistliche.

Die liberale Tageszeitung "La Repubblica" bezeichnete die Wortmeldung als "Angriff mit gezücktem Schwert", zumal sie kurz vor der Papstreise zum Weltfamilientreffen in Spanien veröffentlicht wurde.
Alternative mit Quasi-Embryo
Just von italienischen Forschern wurde nun eine Methode vorgestellt, die die Zerstörung von Embryonen bei der Gewinnung Embryonaler Stammzellen obsolet machen könnte.

Tiziana Brevini und Fulvio Gandolfi von der Universität Mailand verwendeten eine unreife Eizelle mit doppeltem Chromosomensatz und gaukelten dieser durch künstliche Signale eine Befruchtung vor, woraufhin sich diese zu teilen begann.

Fachleute sprechen in diesem Zusammenhang von einem Parthenoten, einem ohne Vater erzeugten Quasi-Embryo. Da jedoch für eine natürliche Entwicklung auch männliche Gene notwendig sind, stirbt ein Parthenot in der Regel nach einigen Tagen wieder ab.
Wann und für wen gilt die Menschenwürde?
Genau diese Eigenschaft macht die Methode für die Stammzellenforschung interessant. Denn eine der Grundfragen der Bioethik lautet: Wie primitiv darf eine Lebensform sein, damit man ihr so etwas wie Menschenwürde zugesteht?

Viele Ethiker ziehen hier als Kriterium die Potenz heran, sich zu einem vollständigen Organismus zu entwickeln. Demnach wäre etwa eine Hautzelle nicht schützenswert, weil sie für immer eine Hautzelle bleibt. Eine befruchtete Eizelle hingegen schon, weil es sich dabei um einen werdenden Menschen handelt - zumindest potenziell.
->   Menschen klonen: Ein Angriff auf die Menschenwürde
Kollegen applaudieren
Folgt man dieser Argumentation, dann sind Parthenoten mit ihrem inhärenten Ablaufdatum nicht notwendig schützenswert. Brevini und Gandolfi wiesen jedenfalls nach, dass man daraus pluripotente Stammzelllinien gewinnen kann.

Das heißt, sie sind fähig, sich zu verschiedenen Zelltypen auszudifferenzieren und könnten daher in Zukunft für therapeutische Zwecke eingesetzt werden. Die Fachkollegen der italienischen Forscher nahmen den Bericht dem Vernehmen nach recht begeistert zur Kenntnis.

Alan Trounson, ein Stammzellforscher von der Monash University in Melbourne, sagte etwa: "Das ist faszinierend. Es war sehr wichtig zu zeigen, dass die Methode bei Menschen funktioniert." Wie der gestrenge Kardinal Alfonso Lopez Trujillo zu den Forschungen steht, ist indes nicht bekannt.

Robert Czepel, science.ORF.at, 29.6.06
->   ESHRE 2006 - Prag
 
 
 
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01.01.2010