News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Leben 
 
Zehnter Geburtstag von Klonschaf Dolly  
  Vor zehn Jahren wurde in Schottland ein Lamm geboren, das den Gang der Welt verändern sollte: Dolly, der erste Klon eines erwachsenen Säugetieres. Seitdem wurden große Summen in die Forschung gesteckt, um über das Klonen Heilmethoden für Krankheiten wie Krebs und Alzheimer zu finden. Bis heute ist aber auch die Zahl der Kritiker nicht kleiner geworden: Für sie ist Klonen eine Horrortechnik, die eines Tages auch zu Menschen-Kopien führen könnte.  
Unklar ist indes auch die "Vaterrolle" des Klonforschers Ian Wilmut: Dieser hat seine eigene wissenschaftliche Leistung bei der Schöpfung von Dolly inzwischen relativiert.
...
Nachlese
Die erste Artikel über geklonte Schafe "Sheep cloned by nuclear transfer from a cultured cell line" von K.H.S Campbell et al. erschien - vier Monate vor Dollys Geburt - in "Nature" (Bd. 380, S. 64-66. Im Februar 1997 folgte dann ein ausführlicher Text zum Thema: "Viable offspring derived from fetal and adult mammalian cells" von I. Wilmut et al. in "Nature" (Bd. 385, S. 810).
...
Aus "6LL3" wurde "Dolly"
 
Bild: EPA

Dolly erblickte am 5. Juli 1996 im Roslin Institute bei Edinburgh in Schottland die Welt. Das Lamm trug zunächst nur die schnöde Nummer 6LL3. Schließlich wurde es nach der vollbusigen US-Countrysängerin Dolly Parton benannt, weil die zum Klonen verwendete Zelle aus dem Euter eines Schafes stammte.

Die Technik, mit der Dolly geschaffen wurde, hat sich seitdem praktisch nicht verändert: Einer Säugetier-Eizelle wird der Kern - und damit die Erbinformationen - entnommen. An seine Stelle wird ein Zellkern des Tieres eingeführt, das geklont werden soll.

Die neu zusammengebaute Eizelle wird dann in eine Nährlösung gegeben und mit Stromimpulsen behandelt, um sie zur Teilung anzuregen. Ist der entstehende Zellklumpen groß genug, wird er in den Uterus der Ersatzmutter eingepflanzt.
Debatte um wissenschaftlichen Beitrag
Als Ian Wilmut das erste aus einer erwachsenen Zelle geklonte Säugetier im Februar 1997 der Öffentlichkeit präsentierte, wurden er und das Schaf weltberühmt. Seine "Vaterrolle" hat er jedoch vor einem schottischen Gericht inzwischen herabgestuft.

Dort hat der Wissenschaftler nach einem Bericht des "Daily Telegraph" rund drei Jahre nach Dollys Tod im Jahr 2003 eingeräumt, dass nicht er, sondern sein damaliger Kollege Keith Campbell Dolly maßgeblich geschaffen hat.
->   The Guardian: Who really made Dolly?
Keith Campbell als "Zweidrittel-Vater"
Wer nun endgültig als der Schöpfer Dollys und damit als Pionier im modernen Klonverfahren in die Geschichte eingehen soll, ist nur schwer zu klären. Das Roslin-Institut im schottischen Edinburgh, die Geburtsstätte Dollys, äußert sich dazu nur vage. Ein Sprecher verweist auf "Teamarbeit", alle an dem beteiligten Projekt hätten dazu beigetragen, heißt es diplomatisch.

Wilmut habe eine "überwachende Rolle" gehabt. Vor Gericht soll er laut Presseberichten bereits zugegeben haben, dass "66 Prozent" des Verdienstes an Dollys Schöpfung an Keith Campbell gingen.
Auseinandersetzung mit Fachkollegen
Ian Wilmut hatte bereits zuvor geschrieben, dass der Labortechniker Bill Ritchie und der Forscher Keith Campbell die 277 Embryonen konstruierten, von denen eines zu Dolly führte ("Dolly, Der Aufbruch ins biotechnische Zeitalter", 2000).

Doch nun sagte er laut der britischen Zeitung "Guardian" auch vor dem schottischen Gericht auf die Frage ob der Satz: "Ich (Wilmut) habe Dolly nicht geschaffen", richtig sei, "Ja". Dabei war Dolly bei dem Prozess nur ein Nebenschauplatz gewesen.

Vielmehr ging es nach Medienangaben um einen Streit mit dem asiatischen Biologen Prim Singh, der sich von Wilmut in einem anderen Fall übergangen fühlte.
Für therapeutisches, gegen reproduktives Klonen
Wilmut selbst hat inzwischen eine Lizenz zum Klonen menschlicher Embryonen erhalten. Er will damit Therapien gegen tödliche Nervenleiden entwickeln. Das Schaffen von Klonbabys, die dasselbe Erbgut wie irgendein Erwachsener haben, lehnt er jedoch strikt ab.

In seinem Buch "After Dolly" plädiert er allerdings dafür, dass die bei Dolly entwickelte Methode in bestimmten Fällen auch bei Menschen angewendet werden soll. Wenn das Risiko bestehe, dass Kinder mit schweren Erbkrankheiten wie Zystische Fibrose oder der Huntington-Krankheit geboren werden, dann müsse das Klonen erlaubt sein.

Wilmut beschreibt in seinem Buch folgenden Vorgang: Einem Embryo mit Erbfehler werden Zellen entnommen. Gentechnisch wird das Erbgut korrigiert.

Dieses Erbgut werde dann zum Klonen eines gesunden Embryos genutzt, der dann auch ausgetragen wird, schlägt Wilmut vor. Abgesehen von den ethischen Problemen scheinen derzeit allerdings auch die technischen Hürden zum Klonen von Menschen kaum überwindbar.
Früher Tod des berühmten Schafes
Dolly selbst starb relativ jung. Im Februar 2003 wurde das Tier wegen einer fortschreitenden Lungenerkrankung im Alter von sechs Jahren eingeschläfert. Normalerweise werden Schafe zwischen zwölf und dreizehn Jahre alt, und Dollys früher Tod nährte Befürchtungen von Wissenschaftlern, dass Klonen zu vorschneller Alterung führt.

Die Klonforscher versprachen, dass der Tod ihrer Kreatur nicht umsonst gewesen sei. Dolly als Märtyrerin für die moderne Medizin oder als eine Vorläuferin für neue Tiere, die der Wissenschaft menschliche Organe für Transplantate liefern können. Seit Dolly ist alles anders, alles scheint möglich.

[science.ORF.at/AFP/dpa, 4.7.06]
->   Dolly - Wikipedia
->   Mehr zum Stichwort Dolly im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Leben 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010