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Van Gogh malte physikalisch perfekte Turbulenzen  
  Dass Kunst und Wissenschaft nahe beieinander liegen, haben Physiker nun im Fall Vincent Van Goghs einmal mehr belegt: Die chaotischen Wolken- und Lichtwirbel in einigen seiner Gemälden entsprechen den physikalischen Gesetzmäßigkeiten von Turbulenzen.  
Untersucht haben die Wissenschaftler rund um Jose Luis Aragón von der University of Mexico in Queretaro die Bilder "Sternennacht", "Straße mit Zypresse und Stern" und "Weizenfeld mit Krähen".

Sie alle stammen aus einer Schaffensperiode, in der sich van Gogh in einem psychotischen Ausnahmezustand befand, halluzinierte und wiederkehrende Ohnmachtsanfälle erlitt.
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Die Studie "Kolmogorov scaling in impassioned van Gogh paintings" (veröffentlicht am 28.6.06) von Jose Luis Aragón et al ist auf dem Preprint-Server ArXiv.org nachlesbar.
->   Die Studie
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Mathematisch berechenbar
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass Van Goghs turbulente Wirbel einem, vom russischen Mathematiker Andrei Kolmogorov in den 1940er Jahren entwickelten Modell für turbulente Strömungen gehorchen.

Mit dem Modell lassen sich Turbulenzen von Wasser- und Luftwirbeln beschreiben, indem ein Verhältnis zwischen der Geschwindigkeit und dem Abstand zweier Punkte in einer Flüssigkeit oder einem Gas hergestellt wird.

Für ihre Arbeit verwendeten die Wissenschaftler, wie die Onlineausgabe des britischen "Nature" berichtete, digitale Fotos der Gemälde: Mit ihrer Hilfe errechneten sie die Wahrscheinlichkeit, mit der zwei Pixel in einem bestimmten Abstand dieselbe Helligkeit oder Luminanz haben würden.
Funktioniert bei anderen Künstlern nicht
Die Forscher geben an, sie hätten weitere, scheinbar turbulente Gemälde anderer Künstler untersucht, jedoch in keinem anderen Kolmogorovs Modell wieder erkennen können.

Obwohl beispielsweise der Hintergrund von Edvard Munchs "Der Schrei" ähnliche Wirbel aufweist, ließ sich Kolmogorovs Theorie bei genauer Untersuchung der Luminanzen nicht anwenden.
Genie und Wahnsinn
Van Gogh habe die einzigartige Fähigkeit gehabt, während ausgeprägter psychotischer Phasen Turbulenzen mit solcher mathematischen Genauigkeit darzustellen, vermutet Aragón.

Sein Meisterwerk "Sternennacht" malte er 1889 während eines einjährigen Aufenthalts in der Saint Paul de Mausole-Anstalt. Die beiden anderen analysierten Werke "Straße mit Zypresse und Stern" und "Weizenfeld mit Krähen" ein Jahr später, ehe er sich im Alter von 37 Jahren erschoss.
Medikamente beeinträchtigten die erstaunliche Fähigkeit
In Van Goghs Werk "Selbstportrait mit Pfeife" sind hingegen keine berechenbaren Turbulenzen feststellbar. Die Wissenschaftler führen das auf die medikamentöse Behandlung zurück, in der sich Van Gogh damals, nach einem erneuten Zusammenbruch und der teilweisen Abtrennung seines Ohres befand.

Er selbst schrieb einst seinem Bruder Theo, er habe das Gemälde in einem Zustand "absoluter Ruhe" gemalt. Offenbar ein Zustand, der seine Fähigkeiten beeinträchtigte.

[science.ORF.at/12.7.06]
->   Vincent van Gogh - Wikipedia
->   Turbulente Strömung - Wikipedia
Mehr zum Thema in science.ORF.at:
->   Hummeln fliegen auf van Gogh (24.10.05)
 
 
 
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01.01.2010