News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Leben .  Medizin und Gesundheit 
 
Konzentration hungert Gehirn aus  
  Die Symptome sind bekannt: Konzentriertes Nachdenken ist anstrengend und ermüdend. Je älter man wird, desto stärker ist der Zusammenhang zwischen Konzentration und Erschöpfung. US-Forscher fanden nun in der Abnahme von Glucose - dem Hauptnährstoff des Gehirns - die Ursachen dafür.  
Ein Wissenschaftlerteam der Universität Illinois beschrieb ihre jüngsten Beobachtungen an Ratten in "Neurobiology of Learning and Memory". Der von den Forschern entdeckte Effekt der Glucose-Entleerung bestimmter Gehirnbereiche führt nicht nur bei älteren Individuen zu größerer Erschöpfung, sondern auch zu einer verlängerten Erholungsphase der jeweiligen Gehirnzellen.

Für den Leiter der Studie, Paul Gold, könnten diese Ergebnisse vor allem Auswirkungen auf die Abstimmung der Ernährung von Schülern und Jugendlichen haben. Darüber hinaus erwartet er sich ein besseres Verständnis altersabhängiger Lern- und Gedächtnisdefizite.
...
Gehirn
Teil des Nervensystems, der zusammen mit dem Rückenmark das Zentralnervensystem bildet. Mit einem Gewicht beim Erwachsenen von 1,3 bis 1,8 Kilogramm macht das Gehirn etwa zwei Prozent des Körpergewichts aus, verbraucht aber ca. 20 Prozent des gesamten Energieumsatzes, wobei als Energiequelle fast ausschließlich Traubenzucker (Glucose) dient.

Das gesamte Gehirn ist von den Hirnhäuten umgeben und wird vom Blut durch die Blut-Hirn-Schranke getrennt. Es weist als Hirnventrikel bezeichnete Hohlräume auf, die mit einer klaren Flüssigkeit, dem Liquor cerebrospinalis, gefüllt sind.
...
Direkter Zusammenhang
"Junge Ratten sind in der Lage, diverse Aufgaben gut zu erledigen, indem spezifische Gehirnregionen ausreichend mit Glucose versorgt werden. Allerdings nur bis zu dem Zeitpunkt, wo die Aufgaben einen bestimmten Schwierigkeitsgrad erreichen", erklärt Koautor Ewan McNay von der Yale University.

Bei älteren Ratten entdeckten die Forscher einen noch viel dramatischeren Glucose-Schwund bei der Bewältigung kognitiv anspruchsvoller Aufgaben. "Das korreliert direkt mit einem auftretenden Defizit in ihrer Leistungsfähigkeit. Fehlt es an notwendigem Treibstoff, beeinflusst das deutlich die Fähigkeit zu denken", meint Ewan McNay.
...
Glucose
Glucose ist ein so genanntes Monosaccharid (einfache Zucker), das in der Natur sehr verbreitet ist. Glucose ist Baustein der Stärke und der Cellulose, in gebundener Form auch im Rohr- und Milchzucker; in kleinen Mengen im Blut (Blutzucker) und im Harn. Glucose ist leicht wasserlöslich und hat etwa die Hälfte der Süßkraft des Rohrzuckers. Als Süßstoff wird Glucose häufig in der Nahrungsmittelindustrie verwendet. Die technische Gewinnung erfolgt durch Behandeln von Stärke mit verdünnten Mineralsäuren.
...
Alter entscheidend
Die Wissenschaftler um Gold und McNay maßen die Glukose-Werte in den Nervenzellen von Ratten, als diese den Weg durch ein komplexes Labyrinth finden mussten. Dabei entdeckten sie, dass bei jenen Nervenzellen des Gehirns, die bei der Orientierung des Organismus einen wesentliche Rolle spielen, die Glucose-Spiegel um 30 Prozent niedriger waren als bei anderen, nicht involvierten Neuronen.

In einer nachfolgenden Detailstudie konnten die Forscher zeigen, dass die Glucosewerte in den aktivierten Gehirnzellen älterer Ratten sogar um fast 50 Prozent gesunken waren und dass die vollständige Regeneration der Glucose-Werte 30 Minuten benötigte. Im Vergleich dazu fielen bei jüngeren Ratten die Werte nur um zwölf Prozent. Das jeweilige Alter scheint also ein entscheidender Faktor in der Auswirkung komplexer kognitiver Aktivitäten auf die Gehirnzellen zu sein.
Gesteigerte Leistung durch Injektionen
Durch direkte Glucose-Injektionen konnten die Forscher die Gehirnleistung der älteren Ratten wieder steigern. "Glucose beeinflusst die Lern- und Gedächtnisleistung nicht nur bei Ratten, sondern auch bei Menschen", so Gold. Den Ergebnissen der Studie folgend, fordern die Forscher eine bessere Abstimmung von Zusammensetzung und Timing der Ernährung bei Schulkindern, um mögliche Vorteile für die Lernentwicklung zu nutzen.

"Wir alle werden müde und erschöpft von harter Denkarbeit", erklärt Tonmoy Sharma vom Institut für Psychiatrie. Doch er warnt gleichzeitig vor der Generalisierung und direkten Übertragung solcher Ergebnisse auf den Menschen. "Denn wir wissen auch, dass sinkende Glucosewerte das Denken verlangsamen", resümiert der Psychologe.

(red)
->   Institute of Psychiatry
->   Neuroscience, Yale University
->   University of Illinois
->   Journal of Neurobiology of Learning and Memory
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Leben .  Medizin und Gesundheit 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010