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Brauner Zwerg überlebt im "Magen" eines Roten Riesen  
  Ähnlich wie der Prophet Jona aus dem Alten Testament drei Tage und Nächte im Bauch eines Fisches überlebte und in wohl behaltenem Zustand wieder aufs Land ausgespuckt wurde, so erging es einem Braunen Zwerg: Er wurde von einem viel größeren Stern "geschluckt" und wieder unbeschadet in die Freiheit entlassen.  
Die Kernreaktionen im "Magen" des so genannten Roten Riesen führten nicht dazu, dass der Braune Zwerg sich auflöste. Derzeit umkreist er in friedlicher Eintracht den Weißen Zwerg, der sich mittlerweile aus dem Roten Riesen entwickelte.

Das sehr ungewöhnliche Farben-Schauspiel haben Pierre Maxted von der Keele University und seine Kollegen mit Hilfe des European Southern Observatory entdeckt.
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Der Artikel "Survival of a brown dwarf after engulfment by a red giant star" ist in der Fachzeitschrift "Nature" (Bd. 442, 3. August 2006, S. 543) erschienen.
->   Abstract
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Braun umkreist Weiß - und umgekehrt
Das binäre "Sternensystem" ist heute von zwei Farben geprägt: Das eine Objekt ist ein heißer Weißer Zwerg mit der Kennziffer WD 0137-349 und etwa einer halben Sonnenmasse. Das andere ist ein Brauner Zwerg - kühler und mit 55 Jupitermassen vergleichsweise leichter.

Die beiden verbindet nicht nur die gleiche Umlaufbahn, sondern auch eine eher außergewöhnliche Geschichte, wie die Forscher schreiben.

Immerhin überlebte der kleinere Braune Zwerg trotz einer wenig aussichtsreichen Position den evolutionären Entstehungsprozess des Weißen Zwergs.
Brauner Zwerg und Roter Riese
 
Bild: ESO

Der Braune Zwerg (rechts) wurde mehr oder weniger unbeschadet wieder "ausgespuckt", nachdem ihn ein Roter Riese geschluckt hatte (links)
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Braune Zwerge
Braune Zwerge - in Größe ein Mittelding zwischen einem sehr großen Planeten und einem sonnenähnlichen Stern - sind dadurch gekennzeichnet, dass sie nicht massereich genug sind, um die gleichen Kernfusionsreaktionen wie die Sterne zu erzeugen, die sie zum Leuchten bringen. Energieärmerer Kernfusionen lassen sie nur schwach und damit braun "leuchten".
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Schlechte Ausgangsposition
Weiße Zwerge sind dabei relativ kompakte Sterne, die sich aus Roten Riesen gebildet haben: Ausgangspunkt ist ein "normaler" Stern wie beispielsweise unsere Sonne. Über Kernfusionen wird dabei im Kern Wasserstoff zu Helium verbrannt.

Wenn der Wasserstoff verbraucht ist, beginnt der Stern, seine große, weniger dichte Hülle aus unverbranntem Wasserstoff zu verbrennen: Er breitet sich schnell aus und wird ein Roter Riese mit einem Helium-Kern als Zentrum, beschreibt James Liebert vom Steward Observatory der University of Arizona in einem Begleitkommentar den Prozess.

Sonnenähnliche Sterne können viele Kompagnons wie Planeten oder auch Braune Zwerge besitzen, die sie umkreisen. Wenn die Sterne altern und zu Roten Riesen werden, so kann das Unheil für die kleineren Begleiter bringen: Die Roten Riesen können die kleinen Begleiter regelrecht verschlingen - so geschehen beim Braunen Zwerg, der heute WD 0137-349 umkreist.
->   Roter Riese - Wikipedia
Überraschend gut überstanden
Aufgrund der geringen eigenen Gravitationskraft würde man davon ausgehen, dass der Braune Zwerg einfach geschluckt und seine "Kernenergie" verbraucht wird. Doch im Gegenteil: Der Braune Zwerg überlebte die Prozesse im Magen des Roten Riesen unbeschadet und wurde quasi wieder ausgespuckt.

"Hätte der 'Begleiter' weniger als 20 Jupitermassen gehabt, so hätte er sich während dieser Phase aufgelöst", vermutet Maxted. Bis dato ist dabei noch nicht genau geklärt, unter welchen Bedingungen sich die masseärmeren Begleiter in der Interaktion mit dem sonnenähnlichen Stern auflösen, diese unverändert überstehen oder gar Masse dazu gewinnen.
Geschichte abgeleitet
Doch woher nehmen die Forscher ihre Gewissheit, dass der Braune Zwerg tatsächlich den Roten Riesen überlebte? Der Braune Zwerg, so die Astronomen, habe eine Masse von einem Zwanzigstel von unserer Sonne und sei dem Weißen Zwerg, der vormals ein Roter Riese war, sehr nahe - in etwa zwei Drittel des Sonnenradius.

Daraus schließen die Forscher, dass der Braune Zwerg auf jeden Fall "geschluckt" worden sein muss, als der Weiße Zwerg noch seine evolutionäre Entstehungsphase in Form eines Roten Riesen durchlebte.

Weiters hat ihre Analyse ergeben, dass der Braune Zwerg bereits vor dem "Schlucken" in seiner Form existiert haben muss - also kein bloßes Ergebnis von Massentransfer in dem Roten Riesen darstellt.
Zukunft "ebenso spektakulär"
Für Liebert verrät die Beobachtung seiner britischen Kollegen, dass die Geschichte des Braunen und Weißen Zwergs eine turbulente war - und die Zukunft ebenso spektakulär zu werden verspricht, wie er in dem Begleitkommentar schreibt.

Denn: Das System der zwei Objekte wird sich verändern, ein Objekt dem anderen einmal Masse abziehen. Bisher kreisen der Weiße und der Braune Zwerg noch umeinander, ohne Masse auszutauschen - mit Umlaufzeiten von zwei Stunden. Der Braune bewegt sich dabei auf seinem Orbit mit einer rasanten Geschwindigkeit von 800.000 Kilometern pro Stunde.

Doch in 1,4 Milliarden Jahren wird die Umlaufzeit von derzeit rund zwei Stunden auf nur 60 bis 80 Minuten geschrumpft sein, berechneten Maxted und sein Team.

Dann wären die zwei "Sterne" sich nahe genug, dass der massenreichere Weiße Zwerg mit dem stärkeren Gravitationsfeld Material von dem Braunen Zwerg abzieht.

[science.ORF.at, 3.8.06]
->   European Southern Observatory
->   Pierre Maxted
->   Jona - Ökumenisches Heiligenlexikon
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01.01.2010