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Physiker: "Dimmerschalter" der Sonne regelt Erdklima  
  Nicht Veränderungen der Erdbahngeometrie sind einem Physiker zufolge für langfristige Klimawechsel auf der Erde verantwortlich, sondern eine Art Dimmerschalter im Inneren der Sonne. Dieser regelt ihre Leuchtkraft - und zwar in zeitlichen Zyklen von rund 100.000 Jahren.  
Das behauptet Robert Ehrlich von der George Mason University in Fairfax. Und sein Ergebnis würde so gut passen, entsprechen 100.000 Jahre doch auch der Dauer der aktuellen Warm-Kaltzeitzyklen auf der Erde.

Seine Schlussfolgerung zog der Physiker aus einem von ihm entwickelten Computer-Modell zu Temperaturschwankungen im Kern der Sonne. Doch sie ist zugleich eine kleine Provokation - gilt doch allgemein, dass die Temperaturen im Kern unseres Zentralgestirns relativ konstant sind und der Wechsel von Kalt- und Warmzeiten auf Erden mit den so genannten Milankovic-Zyklen in Verbindung steht.
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Über die Studie von Robert Ehrlich berichtet die aktuelle Ausgabe des Magazins "New Scientist" in dem Artikel "Sun's fickle heart may leave us cold" (Bd. 2588, S. 12, 27. Jänner 2007). Der Originalartikel "Solar Resonant Diffusion Waves as a Driver of Terrestrial Climate Change" von Robert Ehrlich ist über den arXiv-Server abrufbar.
->   Abstract bei arXiv.org
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"Standardannahmen"
Viele Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Temperatur im Sonneninnern sehr vereinfacht gesprochen durch die entgegenwirkenden Kräfte von Schwerkraft und Kernfusion stabil gehalten wird, nämlich bei rund 15 Millionen Grad Celsius.

Zudem sollen Veränderungen der Erdbahn - ausgelöst durch ein Wechselspiel der Gravitationskräfte von Sonne, Erde und Mond - für Klimaschwankungen auf der Erde sorgen. Die Milankovic-Zyklen haben dabei unterschiedliche Zeithorizonte.

Die Änderung der Exzentrität (wie weit die Umlaufbahn von einer Kreisbahn abweicht) tritt in einem Zyklus von 100.000 Jahren auf, die Veränderung des Neigungswinkels der Erdachse mit rund 40.000 Jahren und eine Lageveränderung der Erdachse (Schiefe der Ekliptik) noch kurzfristiger.
Instabilitäten des Sonnenkerns
Beide Theorien werden von Ehrlich in seinem Modell angezweifelt. Dass es lokal zu Temperaturschwankungen im Sonnenkern kommen kann, konstatierten erstmals Attila Grandpierre vom Konkoly Observatory der Hungarian Academy of Sciences und ein Kollege im Jahr 2005. Sie berechneten, dass das magnetische Feld im Innern zu gewissen Instabilitäten im Plasma der Sonne führen kann, die wiederum die Temperatur oszillieren lassen (Astrophysics and Space Science, Bd. 298, S. 537).

Ehrlichs Modell zeigt, dass sich einige dieser Schwankungen gegenseitig verstärken und so zu langfristigen Temperaturveränderungen führen können - nämlich in Zyklen von 100.000 und 41.000 Jahren.

Welcher Zyklus wann greift, ist laut dem Physiker eher dem Zufall - nicht vorhersehbaren Prozessen innerhalb des magnetischen Feldes der Sonne - überlassen.
Was Warm- und Kaltzeiten bestimmt
In der Geschichte wechselten sich Kalt- und Warmzeiten ab: Seit rund 700.000 Jahren dauert der Warm-Kaltzeitzyklus der Erde etwa 100.000 Jahre, davor waren es etwa 40.000 Jahre. Bisheriges Erklärungsmodell: Die bereits erwähnten und nach dem serbischen Astrophysiker Milutin Milankovic benannten Milankovic-Zyklen verändern die Sonnenenergie, die auf die Erde trifft.

Ein Hinkefuss: Diese Theorie kann nicht erklären, warum die Warm-Kaltzeitzyklen ihre Häufigkeit vor 700.000 Jahren änderten. Kritiker der Milankovic-Zyklen behaupten zudem, dass die durch die dadurch ausgelösten Temperaturschwankungen nicht groß genug sind, um Kalt- bzw. Warmzeiten einzuläuten.

Doch die Milankovic-Befürworter wie etwa Neil Edwards von der Open University in Milton Keynes entgegnen dem, dass sich die kleinen Veränderungen bei der Strahlungsintensität durch Rückkopplungseffekte auf der Erde verstärken. So könne etwa Eisbildung auf den Meeren - ausgelöst durch eine leichte Abkühlung - dazu führen, dass weniger Kohlendioxid in die Atmosphäre gelangt und so den Treibhauseffekt schwächen: Die Erde wird kälter.
Problem der Beweisführung?
Edwards sieht auch ein Problem darin, wie der Physiker Ehrlich sein neu entwickeltes Modell testen will, wie er dem "New Scientist" gegenüber sagt. Die Variationen, die zwischen 41.000 und 100.000 Jahren liegen, seien zu gering, um beobachtet werden zu können.

Der Test der neuen Theorie könnte laut ihren Anhängern über "Rote Zwerge" erfolgen: Ihr Kern sei im Vergleich zur Sonne viel kleiner, so Ehrlich, und die Schwankungszyklen der Temperatur könnten kurz genug sein, sie zu erfassen. Welche Lehre sich langfristig durchsetzten wird - oder in welcher Form sie sich ergänzen -, bleibt wohl abzuwarten.

[science.ORF.at, 25.1.07]
->   Robert Ehrlichs Website
->   Eiszeiten - Wikipedia
Mehr dazu in science.ORF.at:
->   Erddrehung bestimmte Schicksal der Nagetiere (12.10.05)
->   Mensch - Umwelt - Kosmos: Astronomie und Ökologie (5.5.04)
->   Eiszeit: Dramatische Erwärmungen mit Regelmäßigkeit (21.5.03)
 
 
 
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01.01.2010