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Wissenschaft, Politik und Holocaust  
  Die öffentliche Diskussion über Holocaust, Vernichtung, Vertreibung und Exil ist immer auch moralisch aufgeladen und mit Pathos behaftet. Die Zeigeschichtsforschung sucht nun nach neuen Orientierungen zwischen Instrumentalisierung und authentischer Erinnerung.  
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Veranstaltung im IFK
Am Montag, 11. Juni 2001, sprechen die Germanistin Birgit Lang und der Historiker Dirk Rupnow zum Thema "Niemals vergessen? Überlegungen zu Vertreibung, Vernichtung und Gedächtnis" am IFK Internationales Forschungszentrum Kulturwissenschaften, Danhausergasse 1, 1040 Wien.

Für science.orf.at schreiben die IFK-Junior Fellows über die aktuelle Debatte der Zeitgeschichte.
->   IFK
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Zeitgeschichtsforschung und Gedenkkultur
Ein Originalbeitrag von Birgit Lang und Dirk Rupnow

Momentan befinden wir uns in einer Phase, in der zahlreiche neue, sehr quellengesättigte Forschungen über die Ereignisse im "Dritten Reich" und im Exil betrieben und veröffentlicht werden.

Gleichzeitig wird die Nachkriegserinnerungs- und -gedenkkultur, die bisherige Geschichtsschreibung und gesellschaftliche Auseinandersetzung mit den Vorgängen grundlegend in Frage gestellt.
Erinnerung: Instrumentalisiert oder authentisch?
Diese Diskussion, in jeder Hinsicht keine rein akademische, operiert vor allem mit dem Begriff der "Instrumentalisierung". Den Gegenpol dazu bildet eine vermeintlich "authentische" Erinnerung bzw. Auseinandersetzung.

Anknüpfend an kritische Forschungen zu Erinnerung und Gedächtnis kann das "ritualisierte" offizielle/öffentliche Gedenken als "hohl" denunziert und dagegen eine verinnerlichte und individuelle/individualisierte Form des Erinnerns gefordert werden, die das Vergessen allerdings nur verdeckt.
Das Vorstellbare und das Darstellbare
Bild: IKG Wien
Bild: IKG Wien
HistorikerInnen haben dem mit der andauernden Rede von der "Undarstellbarkeit" und "Unvorstellbarkeit" der Verbrechen höchstens Vorschub geleistet. Die Suche oder auch Sehnsucht nach einer als "authentisch" verstandenen Form von Erinnerung und Auseinandersetzung scheint ein integraler Bestandteil aller Debatten über die Erinnerung an die nationalsozialistischen Verbrechen zu sein.

ZeitzeugInnen, die diese Sehnsucht nach Authentizität befriedigen sollen, sind - und dies bleibt meistens unberücksichtigt - oft EmigrantInnen. Das Leben im Exil, kulturelle Produktionen, die sich wesentlich aus der Hybridität der Orte, Lebenswege und Identitäten konstituieren, werden dabei vernachlässigt: Exilierte treten in einschlägigen Filmen als ZeitzeugInnen auf, entortet und über ihr Trauma definiert.
Authentizität
Die Authentizität steht jeweils im Mittelpunkt und bleibt die Herausforderung - selbst derer, die ein Schweigen fordern, eine Unsagbarkeit und Undarstellbarkeit mehr deklarieren als analysieren. Das Authentische entlarvt sich damit auch als eine moralische Kategorie. Erinnerung kann aber nie "uninstrumentalisiert" sein.
Von der Unmöglichkeit, aus Auschwitz zu lernen ?

Nach dem Ereignissen der letzten Jahre, nach dem Kosovo-Krieg und den Analysen von Peter Novick, scheint es notwendig zu sein, die Unhintergehbarkeit einer Instrumentalisierung und gleichzeitig die Unmöglichkeit einer Lehre aus "Auschwitz" zu denken.

Bisher war die legitimste und meist praktizierte Form, das Gedenken an die Verbrechen zu instrumentalisieren, wohl die Ableitung einer positiven Lehre aus den Ereignissen. Nachdem inzwischen "Nie wieder Auschwitz!" gegen "Nie wieder Krieg!" ¿ins Feld geführt werden kann, ist die Möglichkeit einer solchen Lehre zu bezweifeln.
Globalisierung
Die beobachtbare Globalisierung bzw. Universalisierung des Symbols "Auschwitz", die vor einigen Jahren noch gar nicht absehbar war, scheint hierbei eher ein übriges zu tun, auch wenn daneben weiterhin die Hoffnung besteht, dass sich "Auschwitz" in der globalisierten Welt als eine verbindliche Handlungsanleitung ex negativo wird durchsetzen können.
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Birgit Lang ist Germanistin und arbeitet an einem Forschungsprojekt zum Thema "Exil und Gedächtnis".
Dirk Rupnow ist Historiker und promoviert über den Zusammenhang von Vernichtung und Erinnerung im "Dritten Reich". Beide sind derzeit Junior fellows am IFK Internationales Forschungszentrum Kulturwissenschaften, Wien

Mit der komplexen Geschichte des Prager Jüdischen Museums, einem Endlager der "Endlösung", das in den Jahren 1942 bis 1945 von jüdischen WissenschaftlerInnen unter Aufsicht der SS aufgebaut und eingerichtet wurde und die Grundlage für das heutige Prager Museum bildet, wird versucht, die aporetische Situation des Gedächtnisses "nach Auschwitz" an einem konkreten Beispiel zu beschreiben (Dirk Rupnow).

Unter dem Titel "Holokaust meets Exil - Thesen zur In/Kompatibilität zweier Forschungsgebiete" wird versucht, eine Verbindung zwischen den Forschungen zu Exil und Holocaust herzustellen (Birgit Lang).

Ausgehend von den Verwicklungen der Exilforschung in die nationale Gedächtnisarbeit stellt sich die Frage, wieso das Exil in der aktuellen Debatten der Zeitgeschichte nur eine sehr geringe Rolle spielt.
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->   "Museum of Tolerance": Online Multimedia Learning Center
Gedächtnis und Restitution
Von 21.-23. Juni 2001 findet in Wien eine große Tagung zum Thema statt, veranstaltet vom IFK Internationales Forschungszentrum Kulturwissenschaften und dem Simon-Dubnow-Institut für jüdische Geschichte und Kultur, Leipzig, in Kooperation mit der Fritz Thyssen Stiftung und der Heinrich Böll Stiftung.

Gedächtnis und Restitution: Über historische Erinnerung und materielle Wiederherstellung in Europa.

Konzeption: Dan Diner, Simon-Dubnow-Institut für jüdische Geschichte und Kultur, Leipzig, Gotthart Wunberg, IFK Internationales Forschungszentrum Kulturwissenschaften, Wien

Veranstaltungsort: Kaiserliches Hofmobiliendepot,
Andreasgasse 7, 1070 Wien
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Die Tagung
Die Leitfragen sind:
- Wann wird Gedächtnis zu Rechtsanspruch und Geld?
- Spielt der Holocaust dabei für andere Fälle von Genozid, Gewalt und Raub eine paradigmatische Rolle?
- Und was bedeutet das für Zukunft und Entwicklung der europäischen Wertegemeinschaft?

Diesen Fragen gehen nach: Elazar Barkan, Ilsebill Barta-Fliedl, Eva Blimlinger, John Borneman, John Bunzl, Daniel Cohn-Bendit, Gerald Feldman, Clemens Jabloner, Raoul Kneucker, Daniel Levy, Lutz Niethammer, Anton Pelinka, Bela Rasky, Hans Rauscher, Kurt Scholz, Yehuda Shengav, Ernst Sucharipa, Rita Süssmuth, Nathan Sznaider, Ruti Teitel, Heidemarie Uhl, Sigrid Weigel, Claude Weinberg, Yfaat Weiss, Caroline Wiedmer, Stephan Wendehorst, Shimshon Zelniker, Ronald Zweig u. a.


Am Donnerstag, 21. Juni 2001, 19.00 Uhr, gibt es im Hofmobiliendepot im Rahmen der Tagung eine Podiumsdiskussion zum Thema:
EUROPÄISCHE EINIGUNG UND TRANSNATIONALE RESTITUTION
Moderation: Anton Pelinka
Es diskutieren: Daniel Cohn-Bendit, Rita Süssmuth, Freimut Duve, Clemens Jabloner, Kurt Scholz, Hans Rauscher
->   Tagungsprogramm und alle Informationen
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->   Simon-Dubnow-Institut für jüdische Geschichte und Kultur, Leipzig
 
 
 
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01.01.2010