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Geheimnis des Zellschlosses geklärt  
  Viele Ionenkanäle in der Zellmembran schließen sich kurz nach ihrer Öffnung wieder, ein für die Aufrechterhaltung lebenswichtiger Prozesse essenzieller Vorgang. Diese automatische Zelltür, die Nervenimpulsen sowie Muskelbewegungen zugrunde liegt, hat die Geheimnisse ihres Mechanismus jetzt preisgegeben.  
Nahezu 50 Jahre nach den ersten Vermutungen zu diesem Mechanismus haben Roderick MacKinnon und seine Kollegen an der Rockefeller University in New York nun die Einzelheiten des Vorgangs des Zellschloss-Mechanismus aufgedeckt, wie das Magazin "Nature" in seiner neuesten Ausgabe berichtet.

Um elektrische Impulse aufzubauen und aufrechtzuerhalten, besitzen alle erregbaren Zellmembranen kanalartige Strukturen. Diese aus Proteinen bestehenden Poren ermöglichen einen spezifischen Ionen-Austausch mit der Umwelt. Doch die Öffnung der Kanäle ist zeitlich begrenzt, denn sonst könnten Zellen keine Nervenimpulse oder Muskelkontraktionen erzeugen.
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Zellmembran
5-10 nm dicke Grenzschicht zwischen der Zelle und dem Außenmedium oder zwischen verschiedenen Zellen. Durch ihre chemischen und physikalischen Eigenschaften wirken sie als osmotische Barrieren, sorgen für einen selektiven und gerichteten Stoffdurchtritt und geben der Zelle eine gewisse mechanische Stabilität. Die Membrane sind keine starren Gebilde; sie werden nach Bedarf auf-, um- und abgebaut. An Membranen gebundene Proteine spielen eine wichtige Rolle im Stoffwechsel.
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Auf- und Zu-Schalter
Doch wie funktioniert jener Mechanismus der selektiven Öffnung der Ionenkanäle? Lange Zeit nahmen Wissenschaftler an, dass ein 'Ball' an einer molekularen Kette entlang in das Innere des Tunnels schwingt und ihn somit blockiert.

Das Forscherteam von der Rockefeller University konnte jetzt zeigen, dass ein ursprünglich kugelförmiges Eiweiß als entknäueltes Protein in die Pore eindringt. Es schlängelt sich den Weg entlang, um tief in der Pore 'anzudocken' und dadurch den Kanal zu verschließen.
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Ein wichtiges 'Organ'
Ein ausgeklügelter Mechanismus kontrolliert die wichtigen Lebensfunktionen des menschlichen Organismus. Damit Zellen untereinander reibungslos Informationen austauschen können, enthalten ihre umgebenden Hüllen - die Zellmembranen - siebartige Strukturen, durch die spezifische Ionen als Boten wandern. Doch die Zellpforten sind nicht permanent offen, sondern schließen sich wieder innerhalb von Millisekunden. Dazu schlängelt sich ein Protein tief in den Ionenkanal hinein und verschließt den Weg.
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Beobachtung unterstützt Theorie
Die von MacKinnon und seine Kollegen nun aufgeklärte Struktur des Kaliumkanals bestätigte ihre Theorie über die Öffnung der Ionenkanäle: Wasserabweisende Aminosäuren, die Bausteine der Eiweiße, verkleiden die Tunnelwände. Da sich wasserabstoßende Moleküle gegenseitig anziehen, sollte der 'Türverschluss' mit seinen zehn wasserabweisenden Aminosäuren natürlich perfekt in das Zelltor passen, so die Forscher.

Um diese Fragestellung zu beantworten, experimentierten die Forscher mit dem relativ großen Hemmstoffmolekül Tetrabutylammonium (TBA). Röntgenkristallographische Untersuchungen konnten zeigen, dass für die TBA-Moleküle - und damit ebenfalls für das wasserabweisende Ende des Türverschlusses im Ionenkanal genügend Platz vorhanden ist.
Nachhaltige Veränderung
Darüber hinaus veränderten die Wissenschaftler bestimmte
Aminosäuren im Poreninneren sowie im molekularen Türschloss. Tatsächlich wirkte sich das veränderte Innere des Kanals nachhaltig auf den Schließmechanismus aus. "Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich das Peptid weit in die Pore hineinstreckt", erläutert MacKinnon.

Die nun präsentierten Ergebnisse erklären nicht nur die Details des Schließmechanismus, sondern ermöglichen auch die Entwicklung von neuen Medikamenten. Denn schon jetzt werden in der Anästhesie und zur Kontrolle von Herzrhythmusstörungen auf Ionenkanäle spezialisierte Wirkstoffe verwendet.

(red)
->   Artikel zu den Ionenkanälen auf Nature Science Update
->   Zur Arbeit von Roderick MacKinnon, Rockefeller University
Den Originalartikel finden sie in 'Nature' (411, S. 657-661; 2001; kostenpflichtig) unter dem Titel "Potassium channel receptor site for the inactivation gate and quaternary amine inhibitors."
->   Originalartikel in 'Nature'
 
 
 
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01.01.2010