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ESA: Riesenansturm auf Isolationsexperiment  
  5.340 Menschen aus der ganzen Welt haben sich bei der Europäischen Raumfahrtagentur (ESA) gemeldet, um sich 520 Tage für einen simulierten Flug zum Mars einsperren zu lassen.  
Auch ein früherer Häftling ist dabei, der auf seine Erfahrung in der Isolation seiner Zelle verweist. Selten hat es so viele Freiwillige für ein wissenschaftliches Experiment gegeben. Nach Ablauf der Bewerbungsfrist am Sonntag wählt die ESA bis Jahresende zwei Kandidaten aus. Sie werden 2009 in Moskau mit vier Russen in ein "Raumschiff" steigen, das im Dienste der Wissenschaft niemals die Erde verlassen wird.
Auf kleinem Raum zusammenleben
Ein Mars-Flug, den Russland ab 2035 plant, wäre nicht nur eine technische Herausforderung, sondern vor allem eine Belastung für die Crew. In dem Experiment müssen es die Teilnehmer auf 200 Quadratmetern eineinhalb Jahre miteinander aushalten, ohne einander auf die Nerven zu gehen.

Wie bei einem richtigen Flug zum Roten Planeten sind 250 Tage hin und 240 Tage zurück eingeplant. Hinzu kommen 30 Tage Landeanflug und Aufenthalt.
Psychologische Faktoren im Mittelpunkt
"Unser Hauptinteresse sind die psychologischen Faktoren", beschreibt ESA-Forscher Marc Heppener das "Mars500" genannte Projekt, das auf russischer Seite vom Moskauer Institut für Biomedizinische Probleme organisiert wird.

Spannungen zwischen den Crew-Mitgliedern oder die Folgen des langen Eingesperrtseins auf engstem Raum könnten bei einem echten Flug die gesamte Mission gefährden.
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Vier Container
Vier Container stehen in der russischen Hauptstadt bereit, um das Mars-Experiment so realistisch wie möglich zu gestalten: Ein Wohnmodul mit Steuereinheit, Schlafkojen und Küche, ein medizinisches Labor, ein Container mit Fitnessraum und Vorratskammer sowie ein Landemodul, in das sich Crewmitglieder bei der simulierten Ankunft auf dem Mars setzen werden. Danach sollen sie im Raumanzug auch aussteigen und Experimente in einer nachgebildeten Marslandschaft durchführen.
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Kein "Big Brother"
Videokameras zeichnen so gut wie alle Ereignisse auf. Nur in den Kojen der Teilnehmer wird nicht gefilmt. Ein "Big Brother" für die Weltraumforschung? Vergleiche mit dem "Containerfernsehen" seien nicht ganz treffend, sagte die ESA-Projektbeauftragte Jennifer Ngo-Anh: "Bei 'Big Brother' sollen am Schluss zwei überleben, und der Letzte kriegt den großen Preis. Wir streben an, dass alle drinbleiben."
Kein Eingreifen - auch bei Notfällen
Auch die Kommunikationsverzögerung mit der Erde wird simuliert. Wie bei einem echten Flug braucht ein Funkspruch vom Mars 20 Minuten nach Hause. Weitere 20 Minuten vergehen, bis die Antwort eintrifft.

Selbst bei schweren medizinischen Notfällen soll die Container-Besatzung, zu der ein Arzt gehört, auf sich selbst gestellt bleiben. Wo die Schwelle liegt, ab der doch von außen eingegriffen wird, muss noch festgelegt werden.
Abstriche bei Nahrung und Freizeit
"Die begrenzte Versorgung mit Nahrung könnte zu zusätzlichen Spannungen unter der Crew führen", erklärt Heppener. Jedes Gramm ist wie bei einem richtigen Raumflug kalkuliert. Die einzige Frischnahrung soll aus einem Gewächshaus kommen, wo etwa Salat angebaut werden soll.

Auch bei der Freizeitgestaltung mussten Abstriche gemacht werden. Die Russen bestanden darauf, dass in den Komplex eine Sauna eingebaut wird. Das wäre bei einem echten Marsflug wegen des hohen Energieverbrauchs dagegen völlig undenkbar.

Martin Trauth, AFP, 26.9.07
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->   Das Stichwort Mars im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010