News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Kosmos 
 
Jubiläum: Österreich seit 20 Jahren bei der ESA  
  Seit 20 Jahren ist Österreich Mitglied bei der Europäischen Weltraumbehörde (ESA). Zu diesem Jubiläum hat science.ORF.at ein Interview mit Rudolf Schmidt geführt, dem Projektleiter der Forschungsmission Mars Express.

Der Weltraumforscher zieht ein Resümee über "die ersten 20 Jahre", lobt die bisherigen Leistungen, spricht über die Ausbaufähigkeiten und glaubt, dass in naher Zukunft auch Menschen zum Mars fliegen werden - vorausgesetzt, es kommt zu einer globalen Kostenteilung.
 
science.ORF.at: Österreich ist nun seit 20 Jahren Vollmitglied der ESA. Was hat diese Mitgliedschaft gebracht?

Schmidt: Es sind zwei Aspekte, die im Vordergrund stehen: Einerseits ist die Beteiligung an der Europäischen Raumfahrt ein ganz wesentlicher Faktor für die österreichische Industrie. Eine Reihe von großen Industrieunternehmen, aber auch Klein- und Mittelunternehmen profitieren in verschiedensten technologischen Bereichen von der ESA - sei es bei der Herstellung von Soft- und Hardware oder bei der Materialkontrolle.

Andererseits hält Österreich eine wichtige Position bei der wissenschaftlichen Beteiligung. Speziell als leitende Wissenschaftler von mitfinanzierten ESA-Projekten, aber auch von großen internationalen Missionen, bei denen Österreich finanziell nicht beteiligt ist, nehmen unsere Leute - allen voran namhafte Forscher aus Graz und Wien - eine führende Rolle ein.
Sie sprechen beispielsweise von der Mission Mars Express, die Sie leiten ...

Ja, aber nicht nur. Beispielsweise werden zwei Instrumente der Merkur-Mission BepiColombo, deren Start für 2013 geplant ist, von Grazer Wissenschaftlern geleitet. Wiener Astronomen beteiligen sich in prominenter Weise an laufenden Projekten und auch an Studien für künftige Missionen. Der österreichische Beitrag zum Erfolg der ESA-Satelliten im Bereich der Erdbeobachtung darf auch nicht vergessen werden.
...
Zwei Veranstaltungen zum Jubiläum
Das Jubiläum der ESA-Mitgliedschaft wird am 24. Oktober mit einem Festakt und einer Konferenz in der Wiener Hofburg gefeiert. Bereits am 23. Oktober gibt es eine "Space Night" im Marx Media Center in Wien. Dabei werden ESA-Astronaut Claude Nicollier, Weltraumarchitekten aus Österreich und Deutschland sowie Rudolf Schmidt über "Leben im All - Zukunft der Menschheit" diskutieren.
->   Mehr über die "Space Night"
...
Könnte sich Österreichs bei der ESA noch stärker einbringen?

Natürlich, das geht immer. Voraussetzung dafür ist, dass die Forschung noch weiter angekurbelt und der Output an neuen Innovationen und Technologien größer wird. Denn wenn die Qualität steigt, gewinnt man auch im Wettbewerb. Die Entwicklung und der Bau neuer Geräteteile oder Softwareprogramme wird von der ESA ausgeschrieben, das heißt, es gibt viel Potenzial für Österreich, sich an mehr Projekten zu beteiligen.
Das Projekt Mars Express war eines der ESA-Vorzeigeprojekte. Was ist davon geblieben?

Die Mission läuft nach wie vor tadellos. Die Sonde sendet brav ihre wertvollen Daten. Im November 2007 geht das Projekt in sein fünftes Jahr. Das heißt, wir liegen bereits über der veranschlagten Missionszeit. Eigentlich war die Füllung der Treibstofftanks für zwei Jahre angesetzt, mit der Möglichkeit auf zwei Jahre Verlängerung.

Der Mars Express lebt also bereits über seine Ressourcen hinaus. Unsere Experten der Bodenkontrolle leisten da ganze Arbeit in der effizienten Manövrierung der Sonde. Und bislang gibt es keine Anzeichen für einen Mangel an Ressourcen wie zum Beispiel Treibstoff, Batterielebensdauer etc. Ganz im Gegenteil: Auch die thermischen Isolierungen sind stabil.

Einzig die elektronischen Teile könnten uns einen Strich durch die Rechnung machen: Die könnten von einem Moment auf den anderen den Geist aufgeben. Allerdings haben wir noch kein einziges unserer Reserve-Systeme aktivieren müssen. Dementsprechend spricht eigentlich nichts dagegen, dass die Sonde auch noch weitere zehn Jahre Daten vom Mars sendet.
Welche wissenschaftliche Bedeutung hat der Mars Express?

Die wissenschaftlichen Daten, die von der Sonde geliefert werden, sind bahnbrechend. Das müssen auch die USA neidlos anerkennen. Wir haben erstmals Wassereis auf dem Mars nachgewiesen. Wir haben Methan in der Atmosphäre gefunden. Lauter Faktoren, die vor allem bei der Frage aller Fragen wertvolle Informationen liefern: Wie entsteht Leben? Welche Grundvoraussetzungen müssen herrschen? Damit liefern wir tatsächlich Grundlagenwissen der besten Sorte.
Was bedeutet die Mars Express politisch gesehen?

Es ist die erste rein europäische ausgeführte Weltraum-Mission - vom Konzept über die technologische Entwicklung bis hin zur Ausführung und Beobachtung. Das ist sicherlich ein starkes Signal der ESA gewesen.

Der Bau von Mars Express hat ja auch so gut funktioniert, dass die Europäische Weltraumbehörde gleich ein weiteres Projekt angehängt hat. Der Nachbau von Venus Express lief zu 90 Prozent genauso ab wie bei der Vorgänger-Mission.
Rückt die ESA damit langsam zur Oberliga wie NASA und JAXA auf?

Wir brauchen uns definitiv nicht zu verstecken. Ganz im Gegenteil, seit 1960 haben Mars-Missionen statistisch eine Erfolgsrate von weniger als 40 Prozent. Die erste Mars-Mission der ESA hingegen war sofort ein voller Erfolg.
Was sind die kommenden Projekte der ESA mit österreichischer Beteiligung?

Neben dem Merkur-Projekt ist vor allem die Exo Mars im Gespräch: Ziel des Projekts ist Suche nach Spuren von Leben auf dem Planeten Mars. Eine Sonde soll einen Rover zum Mars transportieren und dort absetzen, der dort herumfährt und gezielte Bohrungen unternimmt, um Bohrkerne mit essentiellen Daten über die Marsoberfläche zu liefern.

Die Exo Mars hat sehr hohe technologische Anforderungen und durchaus Schwierigkeiten, die wir erst lösen müssen. Erstens braucht es ein Fahrzeug, das dort herumfahren kann. Zweitens braucht es einen Bohrer, der auch tatsächlich von der Marsoberfläche Bohrkerne entnehmen kann. Und das sind nur zwei vorrangige Probleme unter vielen. Wir stecken diesbezüglich mitten in der Entwicklungsphase. Die Exo Mars geht als frühestens 2013 ins All.
Ihre persönliche Einschätzung: Werden irgendwann einmal Astronauten zum Mars fliegen?

Ich sage immer: Die Person, die zum Mars fliegt, ist schon geboren. Es ist nur die Frage, wie alt sie dann sein wird. Ernsthaft: Ja, ich bin davon überzeugt, dass Astronauten auf Mission zum roten Planeten gehen werden.

Eine derartige Mission ist mit einer Mond-Mission oder einem ISS-Aufenthalt nicht vergleichbar. Erstens ist man mindestens sechs Monate für eine Strecke unterwegs. Dann gibt es nur bestimmte Zeitfenster alle 26 Monate, in denen man zum Mars fliegen kann. Das heißt, die Astronauten müssen dann zirka 18 Monate warten, bis das nächste Flugfenster für die Rückkehr offen ist. Insgesamt ist ein Astronaut also mehr als zwei Jahre unterwegs. Das ist vor allem eine psychologische und körperliche Herausforderung.

Ob so eine Mission medizinisch möglich ist, weiß ich nicht. Aber die Technologien für so ein Großprojekt bestehen bereits zu 80 bis 90 Prozent. So eine Mission ist nur unvorstellbar teuer. Sie wäre maximal dann finanzierbar, wenn sich alle Länder zusammenschließen und eine Art "Weltmission zum Mars" starten würden.

Eva-Maria Gruber, science.ORF.at, 23.10.07
->   Die Europäische Weltraumbehörde (ESA)
->   Austrian Space Agency (ASA)
->   Austrian Aerospace (AAS)
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Kosmos 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010